Hier kommt Alex – Alexander Krützfeld stellt sich vor

    Veröffentlicht:

    Wir STARK-Redakteure erfahren es während der Teamsitzung: Das Magazin bekommt eine Kolumne.
    Über den dazugehörigen Kolumnisten wird uns berichtet, dass er ursprünglich aus der Gegend ist und seit einiger Zeit wieder in Verden lebt, und zwischen damals und heute eine flotte Karriere als Edelfeder hingelegt hat. Alexander Krützfeldt, Jahrgang 1986. Deutscher Fernsehpreis, Grimme-Online-Preis, Georg-Schreiber-Preis, Günter-Wallraff-Preis für kritischen Journalismus. Dann werden Streichhölzer gezogen, und ein sehr kurzes Streichholz mit sehr rotem Kopf bekommt den Job, dem Neuen auf den Zahn zu fühlen. Schönen Dank auch!
     
    STARK-Magazin:
    Einen Grimme-Preisträger trifft man auch nicht alle Tage … Wir reden vom Online-Award 2019 in der Kategorie „Information“.


    Alexander Krützfeldt:
    Mit dem Preis wurde nicht ich persönlich ausgezeichnet, sondern das ganze Team des Online-Magazins „Krautreporter“. Ehrlich gesagt glaube ich, dass für die Jury auch unser alternatives Journalismus-Konzept eine Rolle gespielt hat. 15 junge Menschen, die auf einem Berliner Balkon ein Recherche-Kollektiv gründen – das war gerade ziemlich angesagt. Um nicht zu sagen: todschick.

    STARK-Magazin:
    Einzel- oder Mannschaftsleistung: Irgendwas scheinst du ja richtig zu machen. Deine Reportage-Serie „Acht Häftlinge“, die 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschien, wurde für mehrere Journalismus-Preise nominiert. Der Rowohlt-Verlag war so begeistert, dass er ein Buch daraus gemacht hat. Ebenfalls bei Rowohlt erschien das Buch „Letzte Wünsche“, in dem du dich mit sterbenden Menschen beschäftigst und damit, was sie „hoffen, vermissen und bereuen“. Begehrte Auszeichnungen, renommierte Verlage … Ich würde sagen: läuft bei dir.

    Alexander Krützfeldt:
    Stimmt, ein paar Türen haben sich geöffnet. Aber auch ein Preisträger kann sich nicht alle Jobs aussuchen oder bekommt eine Festanstellung hinterhergeschmissen. Und die Sache hat noch einen anderen Haken: Die besseren Jobs gehen mit deutlich mehr Arbeit einher – oft mit monatelanger Recherche. Erst waren wir schlechtbezahlte Nachwuchsredakteure. Mit dem Kollektiv kam der Erfolg und mit dem Erfolg die Erkenntnis: In höheren Gefilden wird man anders schlecht bezahlt.

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    STARK-Magazin:
    Du hast nicht nur Journalismus, sondern auch Politik und Soziologie studiert. Offenbar mit dem Anspruch, dort hinzuschauen, wo es weh tut: Kannibalismus, Kindesmissbrauch, Rechtsradikalismus …

    Alexander Krützfeldt:
    Schwere Themen liegen mir, aber dabei ist auch Vorsicht geboten. Auf lange Sicht färben solche Sozialreportagen sehr aufs eigene Weltbild ab. Das ist dann nicht so schön – auch nicht für Familie und Freunde, die diese düsteren Anwandlungen aushalten müssen.

    STARK-Magazin:
    Was mich als Lokaljournalistin interessiert:
    Wie ist eigentlich dein Blick auf die Welt durch deine schicke Kolumnistenbrille?

    Alexander Krützfeldt:
    Ich war schon immer ein Tagträumer, ein Hans-guck-in-die-Luft. Ich stehe in der Gegend herum und beobachte, und dann fallen mir ganz automatisch Sachen auf, über die ich nachdenke. Und ich frage mich: Sehen andere das genauso? Während meiner journalistischen Sozialisation bei der seriösen Tagespresse war diese Eigenschaft nicht ganz so nützlich. Damals stand ich unter dem Druck, mir zu allem Möglichen schnell eine Meinung bilden zu müssen. Aber mit der Zeit wurde ich freier, und irgendwann war ich dann frei genug, 12 000 Zeichen quasi über nichts zu schreiben. Übrigens habe ich schon Leserbriefe erhalten, die die Frage aufwerfen, wieso jemand für so eine Kolumne auch noch Geld bekommt.

    STARK-Magazin:
    12 000 luftig-lockere Zeichen über nichts – die schreiben sich doch sicher wie von selbst!Sagen wir, in einem inspirierten halben Stündchen zwischen Frühstück und Kaffeepause?

    Alexander Krützfeldt:
    Keine Chance. Das genialische Schreiben ist leider ein Mythos. Eine Kolumne entsteht, indem man alle möglichen Ideen sammelt und aussiebt und das, was übrig bleibt, hierhin und dorthin sortiert, und Absätze zusammen- und wieder auseinanderbaut. Und wenn es dann immer noch nicht funktioniert, verwirft man alles und fängt wieder von vorne an.
    Und wann bist du zufrieden? Wenn ein Text herauskommt, der überraschend und witzig ist und gleichzeitig voller Melancholie. Wenn ich darüber schreibe, wie ich mit Hilfe von Youtube-Videos ein Haus renoviere, dann schwingt in der Geschichte auch eine Tragik mit – das Erleben eines Menschen, dem das Image praktischer Unfähigkeit anhaftet wie ein japanischer Fluch. Das ist das Grundgefühl, der emotionale Boden. Ohne diese Stimmung wäre das Ganze lediglich ein amüsantes Stück Plastikunterhaltung.

    STARK-Magazin:
    Du arbeitest für Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, die taz, das Schweizer Magazin Reportagen und den Deutschlandfunk. Wie passt denn das STARK-Magazin in diese illustre Gesellschaft?

    Alexander Krützfeldt:
    Ehrlich gesagt: Das weiß ich noch gar nicht. Aber seit meiner Rückkehr habe ich gemerkt, dass die Kleinstadt mir doch wieder ans Herz wächst. Ein paar Freunde von früher sind auch wieder da. Ich stelle mir vor, dass es reizvoll ist, so ein Zeitfenster festzuhalten. Und idealerweise kann man die Geschichten dann in 30 Jahren auf dem Dachboden finden.

    Biografie Alexander Krützfeld:
    Alexander Krützfeldt, geboren 1986 in Achim, ist Journalist und Buchautor. Krützfeldt studierte Soziologie und Politik in Marburg sowie Journalistik in Leipzig und volontierte bei der Fuldaer Zeitung. Er war Gerichts- und Polizeireporter, arbeitet als Ghostwriter und Dozent für Storytelling und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, Krautreporter, Vice, taz und das Magazin Reportagen. Seine SZ-Serie „Acht Häftlinge“ wurde für mehrere Journalistenpreise nominiert, das Online-Magazin Krautreporter, zu dessen Herausgebern er zählte, erhielt 2019 den Grimme Online Award in der Kategorie “Information”. Der seit einiger Zeit in Verden lebende Krützfeldt erhielt gerade jüngst als einer von sechs Autoren das mit 5000 Euro dotierte Niedersächsische Literaturstipendium für sein Romanprojekt „Louise Scherrmann ist erkältet”.

    Foto: Arne von Brill

    Annette Freudling
    Annette Freudlinghttps://www.annette-freudling.de
    Studierte Kulturwissenschaften, Anglistik und Germanistik in Bremen. Lokaljournalistin, Redakteurin und Autorin. Privat verortet zwischen Kammerchor, Katzenhaar und Kneipenquiz. Geschichten mag sie am liebsten ohne Bart. Ansonsten findet sie Bärte aber ganz okay.
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