Innerhalb der veganen Szene gibt es viele Subkulturen, die erbittert gegeneinander vorgehen. Das ist Ilja Laubers Sache nicht. Leben und leben lassen, heißt ihre Devise. Immer mal wieder wird sie für die im Netz geposteten Fotos ihres Einkaufswagens beschimpft. Zuviel Plastik, zuviel Nestlé. Das tropft mittlerweile an ihr ab. Konstruktive Kritik aus der Community findet sie sinnvoll, schmutzige Schlammschlachten aber nicht. Den Geschmack von Fleisch mag sie durchaus. „Manche von uns mögen ja Würstchen, nicht aber, dass Tieren Gewalt angetan wird.“ Denn dass für ihren Genuss Tiere leiden müssen, das widerspricht komplett Ilja Laubers Ethos. Der bewog sie nämlich schon früh, auf den Genuss von tierischem Eiweiß und Produkten komplett zu verzichten. Fleischersatzprodukte aber seien nicht so junkfoodmäßig wie landläufig von „Omnis“, also den Mischköstlern, propagiert. „Fleisch muss man ja auch würzen. Das fällt ja auch nicht einfach so vom Tier ab“, so ihr Argument. Und es gebe sowohl veganes als auch tierisches hochverarbeitetes Conveniencefood. Denn weder von veganen Nuggets wie auch von Fleischnuggets solle man sich ausschließlich ernähren, so ihr Tipp.
Nachtaktiv zu sein, das entspricht ihrem Naturell. Denn nachts, sagt die Rotenburgerin Ilja Lauber, sei sie am produktivsten. Dann komme sie zur Ruhe und könne sich gut konzentrieren. Ihre Wohlfühlfaktoren sind die Ruhe, die besondere Atmosphäre und die Aura der Nacht. In dieser besonderen Atmosphäre schrieb sie ihre Kochbücher. Jedes für sich sehr speziell, jedes ausschließlich über das vegane Kochen und jedes mit einem besonderen Themenschwerpunkt und dazugehörigem umfassenden Theorieteil. Gerade ist das dritte Kochbuch erschienen, das sie diesmal im Selbstverlag herausgegeben hat, um keine Kompromisse mehr machen zu müssen. Und obwohl mit Selfpublishing erschienen, fehlt die ordnende Hand eines Lektors nicht. Wenn sie ein Buchprojekt angeht, ähnele der Prozess einer Schwangerschaft, sagt sie. „Erst findet die Befruchtung statt, Ideen formen sich und werden im Laufe der Entwicklung konkreter.“ Ihr erstes Kochbuch befasste sich mit gesunder Ernährung für Sportler, da sie zu der Zeit noch aktive Kickboxerin war. Immer steht der Spaß an veganer Ernährung bei ihr im Vordergrund. Mit ihrem zweiten Kochbuch wollte sie dem Veganismus das Hipsterflair nehmen. Ohne Biosupermarkt, ohne Superfood und ohne Hightechsupermixer, der den Preis eines Gebrauchtwagens hat, gut essen zu können, das war der Antrieb für die von ihr dafür entwickelten Rezepte. Veganismus sei keine hippe Diät für Beachbodys, auch das stellt die Leiterin des örtlichen Kickbox-Vereins nüchtern fest. Und wie die Omnis würden eben auch Veganer zur Vorbeugung von Mangelernährung Jod, Vitamin B und D supplementieren und Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Ilja Lauber machte aber die Erfahrung, dass Veganer im Schnitt über Ernährung besser informiert seien als die westlichen Mischköstler, die einfach nur so vor sich hin essen, wie sie sagt. Auf „einfach, gesund und schnell“ liegt auch der Fokus ihres dritten Kochbuchs. Neben Lebensmitteln ohne tierisches Eiweiß steht dieses Mal die Mikrowelle im Mittelpunkt und dafür entwickelte sie 180 vollwertige, vegane Rezepte für das Kochen mit dieser Küchenhilfe. Besonders stolz ist sie auf ihre vegane norddeutsche Hochzeitssuppe mit Markklöschen aus Seitanmehl, Paniermehl und Stärke. Für ein Mikrowellenkochbuch entschied sie sich, weil sie selber kaum noch am Herd kocht. Dessen Funktion übernehmen in Ilja Laubers Küche mittlerweile Mikrowelle und Airfryer, eine Heißluftfritteuse, die derzeit tierisch angesagt ist und in der mit ganz wenig Fett frittiert wird.
Für ihre Rezeptentwicklung, die etwa ein Jahr in Anspruch nimmt, sucht sie im Netz nach leckeren Anregungen oder hört mit offenen Ohren ihrem multikulturellen Team zu, in dem sie als Sozialpädagogin arbeitet. Am Reißbrett entwirft sie dann veganisierte Rezepte, danach geht es in die Testversuchsküche mit viel „trial and error“. Oft genug fühlt sie sich in diesem Stadium der Entwicklung wie eine verrückte Wissenschaftlerin. Als Admin des größten deutschsprachigen Veganforums „vegan-forum.de“ bittet sie ihre Community, ob kochunerfahren oder Restaurantkoch, ums Testkochen. Beim Kochbuchschreiben sei es ihr Ziel, Rezeptbeschreibungen niedrigschwellig zu halten, damit alle gesund essen können.
Als kleinsten gemeinsamen Nenner bezeichnet die 42-jährige stellvertretende Leiterin der stationären Jugendhilfe in Rotenburg die vegane Ernährung. In der Einrichtung, in der sie in Teilzeit arbeitet, kocht sie manchmal für ihre Jugendlichen und Kollegen, die Mischköstler, Muslime, Vegetarier oder Veganer sind. Vegan passt dann für jeden. „Veganismus ist ein Lebensstil, bei dem versucht wird, die Ausbeutung und Traumatisierung von Tieren so gering wie möglich zu halten“, erklärt sie. Natürlich sieht sie selbstkritisch, dass auch mal Tiere zu Schaden kommen wie an der Windschutzscheibe klebende Insekten. Das lasse sich nicht vermeiden und sei kein Grund, Tiere allein für den Gaumenschmaus leiden zu lassen und ihnen ohne Not aktiv und absichtlich Gewalt anzutun.
Fotos: Mark Intelmann