Wer die hellen, geschmackvoll gestalteten Räumlichkeiten in der Ostertorstraße mit sieben Arbeitsplätzen und einem Konferenzraum auf 100 Quadratmetern betritt, den empfängt meist der Duft von frischem Kaffee, oft verbunden mit einem freundlichen „Moin“. Wer sich auf das Modell „Coworking“ einlässt, ist in der Regel nicht kontaktscheu oder verliert mit der Zeit seine Scheu. Das kann Kim Heitzhausen aus eigener Erfahrung bestätigen. Eine Zeitarbeitsfirma hat für die Personaldisponentin ein Teambüro mit zwei Arbeitsplätzen gebucht, „zunächst als Testballon, um zu sehen, ob der Standort hier funktioniert.“ Auch das ist ein Vorteil, besonders für Start-ups, die nicht sofort mit sämtlichen finanziellen Belastungen wie Büromiete und -infrastruktur ins kalte Wasser springen wollen und das Sprungbrett genauso begrüßen wie den ein oder anderen Tipp des regionalen Netzwerks. Bei dem Personaldienstleister sind aus dem „Testballon“ längst Nägel mit Köpfen geworden – die 25-Jährige und ihr Kollege sind noch da, bis ein geeignetes Büro gefunden ist. Und: Inzwischen steht ihre Tür meistens weit offen. Dabei sind feste Kunden gar nicht unbedingt die Zielgruppe der Co-Working-Organisatoren: „Sicher, sie schaffen ein Stück finanzielle Sicherheit“, gibt Edda Jeggle zu, die sich mit vier Mitstreitern um die Administration kümmert. Zu viele „Feste“ würden jedoch der Grundidee entgegenwirken, nämlich neben Flexibilität auch Raum für Begegnung zu bieten – „ein Prozess, in den wir so wenig wie möglich eingreifen und bis jetzt auch noch nicht mussten“, so Jeggle.
Ebenfalls eine Nutzerin der ersten Stunde ist Angelika Litauer. Für ihren Teilzeitjob im Bereich der Wirtschaftsförderung für Unternehmen in Afrika mietete sich die Studentin im Coworking Space ein: „Die Internetverbindung war zu Hause oft nicht gut, außerdem habe ich den Kontakt zu Leuten vermisst.“ Im Internet stieß sie auf das Angebot der Kreativen. Mit ihrem 24/7-Tarif konnte sie das flexible Büro auch außerhalb der gängigen Arbeitszeiten nutzen, auch am Wochenende. Aus der „Wanderschaft“ zwischen den zwölf Plätzen im Einer-, Zweier- und Großraumbüro oder Konferenzraum wurde ein fixer Arbeitsplatz, der eigene Monitor zog mit. Für sie ist diese Form auch ein Heilmittel gegen den „Tunnelblick, wo der Stress der Branche einen schnell zu vereinnahmen droht“. Hier fand sie nicht nur alternative Formen der Arbeitsorganisation („mit Musik geht’s wirklich besser, das hätte ich früher nicht gedacht“), sondern auch ihren neuen Job – sie ist inzwischen in Teilzeit als Community Managerin in Syke beschäftigt. Auch sie ist vom Konzept des mobilen Arbeitens restlos überzeugt: „Das beflügelt ungemein!“ Der Effizienz schade es, wie manchmal von Arbeitgebern befürchtet, nicht: „Auch dort lässt sich fokussiert arbeiten!“ Vom Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt, der die Akzeptanz für andere Formen des Arbeitens etwa im Homeoffice gesteigert habe, profitieren auch die Coworking Spaces, ist Willner überzeugt: „Das hat einen Schub gegeben – gleichzeitig ist die räumliche Abgrenzung von Arbeit und Freizeit nach wie vor für viele angenehm.“
Zur bunten Mischung gehören nicht nur die „typischen“ Freiberufler aus der Kreativbranche und Studierende, sondern auch Vertriebler, die die Pause zwischen zwei Terminen nutzen, Unternehmen, die hier Schulungen abhalten wie unlängst die Lebenshilfe und „einige, die nie wieder gesehen werden – bis zum nächsten Mal“, schmunzelt Christian Willner. „Wir hatten erwartet, mehr Pendler von der Schiene oder Straße rüber zu ziehen“; bis jetzt zeichne sich das jedoch noch nicht ab. Eine weitere Erkenntnis: „In ländlichen Bereichen sind die Nutzer tendenziell älter als in der Stadt.“ Planbar sei die Mischung der Nutzer nicht: „Kein Coworking Space ist wie der andere, das ist wie eine Bühne, die man baut: Man weiß nicht, was für ein Stück darauf gespielt wird“, meint Willner.
Schwarze Zahlen schreibt der bisher einzige alternative Arbeitsort dieser Art in Verden bislang nicht. „Co-Working darf nicht mit der wirtschaftlichen Brille betrachtet werden“, findet Jeggle. „Wir bieten eine Leistung, für die man gutes Geld verlangen könnte, aber wir sind zu klein, um wirtschaftlich zu sein“, ergänzt Willner. Beide sind dankbar für Unterstützung durch die Stadt, die die Miet- und Heizkosten übernimmt. Mittelfristig denken sie bereits über eine Vergrößerung nach. Die Hauptsache aber bleibt für Jeggle: „Arbeitsmöglichkeiten, die zu den Menschen und ihren Bedürfnissen passen!“
Fotos: Arne von Brill