Polo in Neu Bretel

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    Zwischen endlosen Wiesen und Weiden liegt er im norddeutschen Nichts zwischen Bremen und Hamburg, da wo sich Hänsel und Gretel vermutlich verirrt hätten: der Polo Park Tiam. Gesucht hat sie überall, sogar auf Mallorca und in der Region um Barcelona. Fündig geworden aber ist Sarah Schrader dann in Neu Bretel, dessen Schreibweise sogar dem Internet spanisch vorkommt und manchmal als Neu Gretel bezeichnet wird. Hier musste sie für ihre Idee eines Polo-Parks keine Anlage aus dem Boden stampfen, sondern stieß auf perfekte Voraussetzungen für Polosport. Im Frühjahr 2022 öffnete der Polo Park Tiam mit großer Reitwiese und einer zwei Kilometer langen Galoppbahn dann auf 22 Hektar landwirtschaftlicher Fläche seine Tore in Neu Bretel.Sarah Schraders eigentlicher Job, mit dem sie Geld verdiente, waren Immobilien, Interieur und Homestaging in Hamburg. Ihre Leidenschaft aber war und ist der Polosport. Trotzdem lässt sich ihr Händchen für Inneneinrichtung nicht verleugnen und bricht sich an vielen Ecken des landwirtschaftlichen Betriebs mit Reitwiese immer wieder Bahn, nicht nur im Polo Reiter Casino, das auch Sarah Schraders Büro ist. „Tiam“ taufte die geborene Iranerin ihre Reitanlage und bezieht sich damit auf ihre Wurzeln. Das aus dem Persischen stammende Wort bedeutet „Mein Augenlicht“ und gibt Sarah Schraders Gefühl für den Sport perfekt wieder.
     
     

    Nicht Porsche und Rolex spiegeln den Polosport, sagt sie. „Die haben nichts damit zu tun, nur der Sport ist wichtig“, so die Neu-Neu Bretelerin. Und mit dem Namen „Polo Park Tiam“ unterstreicht sie einmal mehr, dass sie keine geschlossene, elitäre Gesellschaft sein wollen, sondern offen für alle sind. Sarah Schrader will Kinder, Jugendliche und Frauen für den Sport begeistern. Denn Polosport sei schon immer auch ein Sport für Frauen gewesen und keine reine Männerdomäne wie oft vermutet. Dessen Anfänge lagen im 6. Jahrhundert v. Chr. im Iran und in Vorderasien. Zu der Zeit spielten viele Frauen Polo. „Polo ist ein Frauensport, das ist nichts Neues“, sagt die gelernte Betriebswirtschaftlerin selbstbewusst. Mit ihrer Passion für das Spiel will sie Menschen dafür begeistern und bringt ihnen die Grundregeln bei. Für alles Weitere kommt demnächst ein argentinischer, deutschsprachiger Trainer.

    Um Polo spielen zu können, brauche es keine Reitkenntnisse. Trotzdem sei Poloreiten nicht einfach, aber so, dass man es leicht lernen könne, sagt Sarah Schrader. Und Polopferde wissen, was sie zu tun haben. Als Reiter habe man sehr schnell Erfolgserlebnisse. Das Gefühl, wie die Geschwindigkeit des Pferdes in den Ball geht, sei ein ganz besonderes. Bis zu 55 Kilometer pro Stunde können die aus argentinischen Criollos und Vollblut gezogenen Polopferde erreichen. Dabei sind sie extrem wendig und beteiligen sich aktiv am Spielverlauf. Denn sie haben Spaß am Spiel, verfolgen den Ball und laufen gerne hinter ihm her. Gute Pferde beschleunigen beim „satten Flopp“, den es macht, wenn Stick und Ball in optimaler Geschwindigkeit aufeinandertreffen. „Habt keine Angst, kommt schauen“, lädt die Neu Bretelerin Interessierte freundlich ein. Auf ihrer Anlage sind viele Freizeitspieler und für die ist die große, ganzjährig bespielbare Indoor-Halle mit 60 mal 40 Metern goldwert.

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    In der Halle stehen sich beim Polospiel zwei Mannschaften à zwei Spieler gegenüber, auf dem Rasen spielen vier gegen vier jeweils vier Chukkas à siebeneinhalb Minuten. Wie beim Golf haben die Spieler ein persönliches Handicap, das über ihre Leistungsstärke Auskunft gibt. Die besten Spieler der Welt haben das Handicap +10 und kommen fast ausschließlich aus Argentinien. In Deutschland gibt es 356 Polospieler, davon sind nur zehn Prozent Frauen. Das höchste deutsche Handicap liegt bei +4. Sie selber habe -2. Das hört sich zwar grottig an, aber allein für dieses Handicap braucht es schon eine ganze Menge Können.

    Immer geht es im Polosport um das Wohl des Tieres. Aus diesem Grund dauert die Ausbildung eines mit drei Jahren eingerittenen Pferdes vier bis fünf Jahre. Pro Saison werden die Pferde eineinhalb Monate mit „stick and ball“ trainiert, dann gehen sie wieder für zwei bis drei Monate auf die Weide. „Das können wir hier hervorragend leisten“, sagt die Eigentümerin und Geschäftsführerin vom Polo Park Tiam und blickt auf die großen Grünflächen und die Reitwiese hinter der Halle. Pferde werden wie „Gott“ behandelt, versucht Sarah Schrader das Verhältnis zu den Pferden zu erklären. Vielleicht trifft es eher, wenn man sagt: wie ein rohes Ei, wie ein Ausnahmekünstler oder eine Diva. In jedem Fall aber wird ihnen jeder Wunsch von den Augen abgelesen und unentwegt für ihr Wohlergehen gesorgt. Zwei Chukkas hintereinander dürfen die Polopferde nicht laufen, es muss gewechselt werden. Das war schon immer so und ist vom Deutschen Poloverband so vorgeschrieben. Zum Spiel werden sie an den Beinen dick mit „Protektoren“ eingepackt und der Schweif eingebunden, damit sich der Stick bei einem Schlag nach hinten nicht darin verfängt. Aus diesem Grund wird auch die Mähne eines Polopferdes geschoren.

    „Unser Vorteil ist, dass wir so klein sind“, sagt Sarah Schrader. Sie haben nur 20 Boxen für Einsteller von Polo- und auch anderen Reitpferden, könnten aber auf 70 aufstocken. Das aber ist nicht im Sinne von Sarah Schrader. Was sie haben, ist die große Halle, ein Vorteil und ziemliches Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich wuchern lässt. Denn in dieser Größenordnung seien sie die einzige Adresse in Europa, sagt sie ganz selbstbewusst. In der Halle lassen sich wetterunabhängig ganzjährig Pferd und Reiter trainieren. Darin wie auch auf der großen Bewegungswiese finden die Wettbewerbe statt, für die Schrader bereits ein Jahr im Voraus den Plan macht. Denn zum Leidwesen der Geschäftsführerin spielen die meisten Polospieler lieber im Ausland als in Deutschland. Sie plant, pro Jahr für ihre Einsteller und Freunde vier Wettbewerbe auszurichten und ihre Polopferdzucht mit eigenem Zuchthengst voranzutreiben. Denn die kleinen, wendigen Pferde sind rar am Markt. Der Polo Park Tiam bietet zudem Boxen und von Half- bis Fullgroom alles, was der Polospieler für das Wohlbefinden seines Pferdes braucht. Aber Schrader legt auch Wert darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem 22 Hektar großen Anwesen um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Aus dem stammen dann Heulage, Obst, Gemüse und Eier, alles aus eigener Produktion.

    Fotos: Mark Intelmann

     
    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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