Der Herr der Rinder

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    Er ist total ZDF-bewegt. Zahlen, Daten, Fakten, das ist Jens Cordes und so bewirtschaftet er, obwohl er voll und ganz hinter Demeter steht, auch seinen 120 Hektar großen, biologisch-dynamischen Betrieb mit 80 Weiderindern. Mit der Muttermilch hat er die Landwirtschaft nicht gerade aufgesogen, Jens Cordes wurde eher mit Leistungssport groß. Trotzdem ist er heute Chef über so viele Rinder und Hektar Ackerland sowie Grünland. Nur in den Ferien hatte er früher Kontakt zum Landleben auf dem Hof seiner Großeltern. Aber er wusste immer, dass er Bauer werden will und dass er es kann. Darum lernte er auch von der Pike auf und machte auf zwei konventionell bewirtschafteten Höfen die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Gehilfen. Dem folgte ein USA-Aufenthalt auf einem 1.000 Hektar Ackerbaubetrieb mit Mutterkühen und Studienzeit mit Schwerpunkt Agrarökonomie. Zurück in Deutschland setzte er ein Betriebswirtschaftsstudium obendrauf und über 20 Jahre Consulting-Tätigkeit im Finanzdienstleistungssektor. Erst dann übernahm er in Stuckenborstel in dritter Generation den aktiven Demeter-Betrieb. Das war 2010. Dass es dabei nur mit Demeter ging, war für ihn von Anfang an klar. Genauso klar war es, eine geschlossene Kreislaufwirtschaft wie die von Rudolf Steiner angedachte zu leben. Unumgänglich bei der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise ist Rinderhaltung, um die Ernteerträge des eigenen Grünlandes selber nutzen und verwerten zu können. „Melken mag ich nicht“, stellte Cordes klar für sich fest. Zudem machte er die Tatsache aus, dass qualitativ hochwertiges Rindfleisch in Demeter-Qualität ein rares Gut ist. Danach stellte sich nur noch die Frage nach der Rasse. Es wurden dann Deutsches Angus und Aberdeen Angus, Limousin und Charolais, alles klassisch reinrassige Fleischrinder. Die stehen von April bis November draußen „in der Prärie“ entsprechend einer der strengen Richtlinien von Demeter. 

    Er könnte seinen Viehbestand auf 150 aufstocken, die Kapazitäten dafür hat er. Aber das ist nicht unbedingt Jens Cordes’ Ziel. Denn der Landwirt hat den Anspruch, jede Mutterkuhherde, aus der seine Tiere stammen, einmal im Jahr zu sehen. „Sie müssen im Kopf sauber und zugänglich sein, bestimmte Bemuskelungszustände aufweisen und Herdengröße und Gesundheit müssen auch stimmen.“ Das kontrolliert er bei seinen Besuchen. Und der Sottrumer Landwirt will mit dem Züchter gut klarkommen. Prozesssicherheit steht bei Jens Cordes an erster Stelle. Deshalb sagen manche Kollegen auch augenzwinkernd, er arbeite wie ein Konventioneller. „Wer das ZDF-Thema nicht beherrscht, bekommt den Rest nicht in den Griff“, so seine kurze Erklärung. Weil ZDF und weil er konsequent ist, stellte er vor mehr als vier Jahren seinen gesamten Fuhrpark auf Satellitengestützte Lenksysteme um. „Der Trecker weiß, wohin er fährt“, sagt er. Diese Maßnahme sei ein Teil seiner Work-Life-Balance. Und nur weil sie bio machten, hätten sie trotzdem die Aufgabe, mit möglichst wenig Diesel das beste Ergebnis zu erzielen. Für Jens Cordes brachte die Umstellung eine Einsparung von 40 bis 50 Prozent an Dieseltreibstoff mit sich. Und dann stellt er nüchtern ZDF-geprägt fest, dass er mit keiner Maschine verheiratet sei. „Wenn sie unrentabel ist, muss sie weg.“

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    Es sei Schwachsinn, Fleisch über das Internet zu vermarkten und weit reisen zu lassen, sagt der Agrarökonom. Nicht nur in Zeiten der Klimadiskussion, auch die Lebensmittelsicherheit sei auf diesem Vermarktungsweg nicht gewährleistet, weiß er. Außerdem will der Sottrumer Landwirt die Arbeitsbedingungen bei DHL, UPS, DPD und wie sie alle heißen nicht unterstützen. Denn nach den Richtlinien von Demeter sei das ein no-go. Fleisch müsse sich in einem Radius von 50 Kilometern vermarkten lassen, auch mithilfe von Direktvermarktung, so war 2016 sein Ansatz. Seitdem gibt es auf Hof Cordes einen Hofladen. „Und der steht vor Ihnen“, antwortet Cordes auf die Frage nach den Räumlichkeiten, in denen er sein Rindfleisch, Bratwurst, Wurst und Knipp verkauft, und hält sein Telefon hoch. Ohne Vorbestellung ob telefonisch oder per e-mail geht in aller Regel nichts. Denn die Idee der Vermarktung ist die Verwertung aller Teile eines Tieres. Der Hofladen läuft immer besser, weil die Menschen immer häufiger wissen wollen, woher ihr Essen stammt, so seine Erklärung. Um dem Informationsbedürfnis nachzukommen, bietet Jens Cordes Hof- und Rinderführungen an, die auch beim „Hofladen“ angemeldet werden müssen.

    Eigentlich schließen sich die Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiner und knallharte Betriebswirtschaft aus. Bei Jens Cordes aber funktioniert es. „Es ist kein Konflikt.“ Vieles funktioniere wie vor 100 Jahren nach Rudolf Steiners Handlungsempfehlungen, aber etliches habe sich auch im Demeter-Bereich aufgrund veränderter Sachzusammenhänge weiterentwickelt. Heute ist Demeter die Championsleague unter den Ökolandbauverbänden. Demeter-Bauern und -Hersteller leisten deutlich mehr als die EU-Bio-Verordnung vorschreibt. In der Rinderhaltung hat sich Demeter die schärfsten Auflagen aller Bioverbände auferlegt. Im geschlossenen Betriebskreislauf wird das für die Rinderhaltung benötigte Futter auf dem eigenen Hof produziert.

    Und dann wird es esoterisch. Durch den Einsatz des durch Wiederkäuen produzierten Mists entstehe eine „aufstrebende Lebensspirale“. „Die Begrifflichkeit ist etwas gruselig“, gibt Cordes zu. Die Sache als solche aber funktioniert, denn der betriebseigene Boden passt sich durch den Mist der hofeigenen Tiere den Gegebenheiten in der Region an. Brasilianisches Soja hat einfach wenig mit Sottrum zu tun, da passt Kleegras besser, sagt Cordes. Denn Ziel der Demeter-Landwirtschaft ist es nicht, die Pflanzen zu ernähren, sondern das Bodenleben zu aktivieren. Das Spiel sei, alles da zu lassen, wo es hingehört und Pflanzen mit einer sinnvollen Fruchtfolge und „Präparatearbeit“ die restliche Arbeit erledigen zu lassen, erklärt der Landwirt. Für die Präparatearbeit hat Cordes 400 aus der Schweiz stammende Kuhhörner gefüllt mit gemahlenem Quarz an einer zentralen Stelle seines Hofes von Ostern bis September verbuddelt. „Das ist kurz vor esoterisch“, sagt der ZDF-Mann, „aber es wirkt wie die Pest.“ Der Quarz habe sich mit Sonnenenergie aufgeladen, so seine Erklärung. „Es wird noch besser“, kündigt er schmunzelnd an und berichtet, dass der in „lebendwarmem“ Wasser eine Stunde lang aufgerührte Quarz verwendet wird, um den Öchslegehalt im Wein wie auch den Zuckergehalt im Gras zu erhöhen. In homöopathischen Dosen von 10 Liter pro Hektar wird dieser Hornkiesel dann auf die Flächen aufgebracht. „Es gibt Berge von Untersuchungen über die enorme Wirkung, wissenschaftlich erklären aber lässt es sich nicht.“ Jens Cordes setzt pro Jahr 300 Liter an, um den Zuckergehalt im Gras für seine Rinder anzureichern. „Das ist wie Bonbonessen“, beschreibt er den Geschmack der Rinderdelikatesse. Weil Demeter-Rinder ohne Kraftfutter und nur mit Heu und Gras groß werden, muss die Grundfutterqualität eben sehr hoch sein. Zum Wachsen brauchen sie zwar etwas länger, aber das ist auch das Geheimnis der Fleischqualität. Außer den biodynamischen Spritzpräparaten gibt es bei Demeter noch das Riesenthema „Mond“ mit Blüten-, Blatt- und Wurzeltagen. Wenn das Wetter es zulasse, dann könne man sich auch über den Mond unterhalten, sagt Jens Cordes. Wenn es dann irgendwie geht, richte er sich auch danach. Gegen die Trockenheit der vergangenen zwei Jahre könne aber auch Demeter nicht viel ausrichten. „Zaubern können wir auch nicht.“

    Fotos: Mark Intelmann

    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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