Prädikatsbuchhandlung – Bestseller in Achim

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    Achim. So leicht kommt niemand an ihnen vorbei. Immerhin sind es 17 Meter prominente Schaufensterfläche, eine scharfe Kurve und eine Ampel, die zum langsamen Passieren zwingen. Das sei ein großer Vorteil ihres Standorts, stellt der Buchhändler Veit Hoffmann schmunzelnd fest. Und manchmal, nur manchmal, würde er sich einen etwas breiteren Bürgersteig vor seinem Buchgeschäft wünschen. Ansonsten sei die Obernstraße in Achim ein Standort mit großen Vorteilen. 2006 eröffneten Veit Hoffmann und Iris Hunscheid, nachdem sie viele Jahre angestellt in Kölner Buchhandlungen arbeiteten, in Achim am Ende der Fußgängerzone ihr Unternehmen. Der Wunsch nach einer eigenen Buchhandlung kombiniert mit ihrer Vorliebe für den Norden, das Klima und die Norddeutschen verschlug sie direkt und ohne Umwege nach Achim. „Nach Bayern hätte es uns nicht gezogen“, da ist sich Iris Hunscheid sicher. Trotz alledem war Achim ein Zufall, dafür aber auch ein Volltreffer. Ein Kulturschock aber war Achim nach dem Leben im Rheinland auf keinen Fall, sagt Hoffmann. Die Rheinländer erschienen nur auf den ersten Blick kontaktfreudiger und aufgeschlossener. Mit ihrem ganz eigenen Zugang zur norddeutschen Seele eroberten sich die beiden Buchhändler schnell die Achimer Sympathien. „Die Leute kennen einen sehr schnell“, das sei der Vorteil einer Kleinstadt, sagen sie. So es irgendeine lokale Struktur gebe, sei es sehr einfach, Fuß zu fassen, so Veit Hoffmanns Erfahrung aus den vergangenen Jahren. 

    In der Achimer Fußgängerzone gibt es zwar so einige Leerstände, das sei aber für Orte dieser Größenordnung keine Seltenheit, stellt der Buchhändler fest. Hoffmann führt das nicht auf mangelnde Kaufkraft, denn davon gibt es in Achim genug, oder Kundenfrequenz zurück. Grund seien oft genug der Generationswechsel in inhabergeführten Geschäften, Nachwuchssorgen, marode Baustrukturen und bauliche Verhältnisse, die nicht mit der Zeit gegangen sind, sowie wenig Risikobereitschaft, sich selbstständig zu machen. Das Buch ist ein total einfaches Produkt, sagt Hoffmann im Brustton der Überzeugung. Es ist stabil, hitzeresistent, stoßfest, muss nicht gekühlt werden und ist daher das ideale Verkaufsprodukt. Bereits 1920 wurde das Buch mit Einführung des Hörspiels im Radio totgesagt. Das hat sich schon damals nicht bewahrheitet. Auch Fernsehen, CD und Internet konnten ihm nichts anhaben. Seit Jahrzehnten sei der Branchenumsatz stabil, betont Veit Hoffmann. Und immer wieder einmal gebe es absolute Verkaufshochs wie vor fünf Jahren durch das Erscheinen von „Shades of Grey“. Seit ein bis zwei Jahren erleben Buchhändler eine Rückbesinnung auf das Buch, speziell im Sachbuchbereich. Nicht mehr 17 Stunden nach Informationen im Netz surfen wollen, sondern auf verlässliche Hintergrundinformationen zurückgreifen zu können mittels fundierter Sachbuchlektüre, das ist zunehmend häufiger das Anliegen der Kunden, so die Beobachtung des Achimer Buchhändlerehepaars. Laut Untersuchung des BranchenverbandesBörsenverein des Deutschen Buchhandels ist das Buch unglaublich positiv besetzt. „Ich nehme mir Zeit für ein Buch und das tut mir gut“, so die Idee, die sich immer stärker durchsetzt. Trotzdem gebe es immer wieder Aufmerksamkeitskonkurrenz zwischen Lesezeit und anderen Aktivitäten. Ja, die gibt es und ja, nicht immer die besten Bücher führen die Bestsellerlisten an, so Hoffmann. Von geschenkten Büchern, so das Ergebnis einer Umfrage, werden in aller Regel nur 30 Prozent wirklich gelesen. Veit Hoffmann sieht das ganz entspannt und vergleicht nicht Äpfel mit Birnen, aber Bücher mit Schuhen, die ebenso oft ungetragen in irgendwelchen Schuhschränken vor sich hin leben. Der Achimer Buchhändler sieht eher die Frage, ob sich mit Büchern Geld verdienen lasse. Und ja, das tut es. Hoffmann macht seinen Job unglaublich gerne, weil er sehr vielschichtig ist. Ein Buch sei zwar ein Buch, aber jedes sei eben auch anders und entführe in fremde Welten. „Das funktioniert bei kaum einem anderen Medium so“, so seine Feststellung.

    Foto: Mark Intelmann

    Sportler hätten es leichter, zu erklären, weshalb sie eine Medaille gewonnen haben. Veit Hoffmann ist mit Leib und Seele engagierter Buchhändler. Trotzdem fällt ihm die Erklärung, weshalb er den vom Wirtschaftsrat Achim ausgelobten Preis für den Unternehmer des Jahres 2019 erhielt, etwas schwerer. Dazu kommt, dass er den Preis des Wirtschaftsrats als eine Auszeichnung seines gesamten Teams versteht. Ja, er führt ein erfolgreiches Unternehmen und ist in Achim verwurzelt. Mit sechs bis acht klassischen Lesungen sowie Veranstaltungen rund um das Buch, die nicht immer in den eigenen Räumen stattfinden, arbeitet der Buchhändler daran, Achimern neben Wohnort und Arbeitsplatz ein drittes Zuhause als Wohlfühlort zu bieten. „Das scheint zu funktionieren.“ Es war ein Jahr der Preise und Auszeichnungen. Seit Sommer 2019 darf sich die Achimer Buchhandlung zum vierten Mal „Prädikatsbuchhandlung – Partner für Leseförderung“ nennen, ausgezeichnet vom Landesverband Nord des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Im Oktober erhielt die Buchhandlung Hoffmann dann den Deutschen Buchhandlungspreis und gehört damit zu den 118 besten Buchhandlungen Deutschlands. Belletristik ist ihre umfangreichste Sparte gefolgt von Kinder- und Jugendbüchern und Sachbüchern. An vierter Stelle steht die Abteilung Non-Books, in der Hunscheid und Hoffmann ihren Kunden als Sortimentsergänzung Gesellschaftsspiele, aber auch ausgefallene Handtaschen für Bücherfans und zu Weihnachten handgemachte Leysieffer-Pralinen aber auch Sylter Salatsoße anbieten. Einfach weil sie lecker sind.

    Beide, Hoffmann und Hunscheid, sind komplett buchbegeistert. Fast genau so sind sie von Comics begeistert. Die seien super und eigneten sich zum Anfixen. „Es ist toll, wenn Kinder sich in den Comic vertiefen und den verborgenen doppelten Sinn erfassen wie bei Asterix und Obelix.“ Im nicht-deutschsprachigen Raum sind graphic novels eine große Nummer, erzählt Veit Hoffmann. Aber es sei nicht ihre Aufgabe, über gute oder schlechte Literatur zu befinden, sondern eine Auswahl zu treffen, die dem Geschmack und Nerv ihrer Kunden entspricht. Hunscheid und Hoffmann bestücken das Sortiment der Buchhandlung mit einer Mischung aus eigenen Vorlieben, bestsellerprädestinierten Büchern und immer mit Büchern für ihre Kunden. Manchmal aber raten sie Kunden auch von bestimmter Literatur ab. „Das macht die persönliche Beziehung zwischen Buchhändler und Leser aus“, sagt Iris Hunscheid. Von Vorteil sei, dass es im fünfköpfigen Team sehr unterschiedliche Lesevorlieben gibt. Eine persönliche Beziehung pflegen Hunscheid und Hoffmann auch zu den Autoren. Schon im zehnten Jahr besucht der Autor der Ostfriesenkrimis Klaus-Peter Wolf Achim. Mit der Wahl des Lesungstermins zwei Tage nach Erscheinen seines neuesten Krimis, dokumentierte Wolf seine ganz besondere Verbundenheit. In Achim lasen bereits Dörte Hansen und Avi Primor. Wer was zu meckern hat, muss was tun, so der Standpunkt der beiden Achimer Buchhändler. Aus diesem Grund engagiert sich Iris Hunscheid als Vorsitzende der IG Unabhängiges Sortiment im Börsenverein des deutschen Buchhandels, Veit Hoffmann arbeitet als Vorstandsmitglied der Leistungsgemeinschaft Buchhandel aktiv mit. Für immer kann Veit Hoffmann nicht sagen, welches sein erklärtes Lieblingsbuch ist. Mit dem „Herrn der Ringe“ tauchte er erstmals in die Fantasywelt ein. Auch Iris Hunscheid würde die Trilogie von J.R.R. Tolkien sofort mit auf eine einsame Insel nehmen. Ihre erklärte Säulenheilige aber ist die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren. Hoffmanns aktuelles Lieblingsbuch „Eine Geschichte des Windes“ schrieb Raoul Schrott.

    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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