Als eine der beiden Einsatzleiterinnen sieht Lieselotte Busche den Grund für die vergleichsweise große Anzahl an Rotenburger Ehrenamtlichen in der Größe des Diakonieklinikums, vor allem aber in der Vielschichtigkeit des dortigen Tätigkeitsspektrums. Denn Grüne Dame zu sein, überschreitet hier die klassische Vorstellung des Besuchsdiensts. In fünf Aufgabenbereichen engagieren sich im Diakonieklinikum die ehrenamtlichen Helfer aus der evangelischen Krankenhaus-Hilfe. Die landläufige Vorstellung einer Grünen Dame als einer am Bett des Patienten sitzenden weißhaarigen Frau trifft dabei nur teilweise zu. Zwar haben viele der ehrenamtlich im stationären Krankenhausdienst Tätigen ihre Berufstätigkeit bereits hinter sich gelassen, aber alle sind das nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel, denn auch Schüler und Berufstätige engagieren sich. Das Gros aber liegt im Bereich 70 plus. Immer aber wie vor 50 Jahren sind Frauen deutlich in der Überzahl.
Es ist nicht die Erstattung der Fahrtkosten, das freie Parken auf dem Gelände des Diakonieklinikums und das Mittagessen, das Rotenburger bewegt, als Grüne Dame oder Herr tätig zu werden. „Heute sind die Menschen länger jung und bereit, sich für die Gemeinschaft einzusetzen“, erklärt Lieselotte Busche nur einige der Beweggründe, ehrenamtlich im Krankenhaus aktiv zu werden. Zudem gebe ein Ehrenamt auch dem eigenen Leben Struktur, ein weiteres Argument zugunsten des Dienstes.
„Unser größtes Potential ist die Zeit, die wir mitbringen und das unterscheidet uns vom Pflegepersonal“, so Lieselotte Busche, die gemeinsam mit Birgit Behrndt die Einsatzleitung innehat. Mit dieser Äußerung macht sie einmal mehr deutlich, dass Grüne Damen und Herren nicht in Konkurrenz zum Pflegepersonal stehen, sondern mit ihnen Hand in Hand arbeiten. Die Bedürfnisse der Patienten sind ihnen dabei Richtschnur. Einfach mal im Patientenzimmer vorbei gucken und anpacken, wo Not am Mann ist, fünf Minuten lang oder auch eineinhalb Stunden. Das können das Angebot eines Gesprächs ebenso sein wie kleine Besorgungen oder Begleitung bei Spaziergängen. „Man bekommt ein Auge für Patienten, die Hilfe benötigen“, weiß Lieselotte Busche, die von Beruf Kinderkrankenschwester war, aus jahrelanger Erfahrung nur zu gut.
„Können wir Ihnen helfen, wo möchten Sie hin“, ist die Frage, die der Lotsendienst am häufigsten stellt. Die „Arbeitsbereiche“ sind sehr unterschiedlich und reichen von kurzem Zusammensein mit dem Patienten im Rahmen des Lotsendiensts, Kontaktaufnahme über das Medium Buch oder Getränk im Rahmen von Büchereidienst und Getränkewagen bis hin zu intensiven Gesprächen während des Besuchsdienstes und in der Altenhilfe. Einen kleinen Moment aus den Gedanken, die um Krankheit kreisen, herauszuholen, ist das erklärte Ziel der Grünen Damen. „Wenn man es schafft, Patienten nur fünf Minuten abzulenken, ist das ganz viel wert“, sagt Busche Ein Lächeln in das Gesicht zaubern und dem Patienten zeigen, das er nicht allein ist, darum geht es den Ehrenamtlichen.
Wie in allen Bereichen, die sich auf das Ehrenamt gründen, haben auch die Grünen Damen Nachwuchssorgen. „Das ist eine Zeitströmung“, erklären sich die beiden Einsatzleiterinnen Lieselotte Busche und Birgit Behrndt das Phänomen. Die Mund-zu-Mund-Propa-ganda sei das Wichtigste bei der Anwerbung neuer Ehrenamtlicher, haben sie festgestellt. Aus diesem Grund besucht Lieselotte Busche seit einem halben Jahr Rotenburger Vereine, um ihr Projekt ins rechte Licht zu rücken. Aufgrund des persönlichen Engagements gewannen sie im vergangenen Jahr drei neue Grüne Damen hinzu und haben in dem kurzem Zeitraum des neuen Jahres bereits drei Anfragen erhalten. Viele der Rotenburger Ehrenamtlichen sind seit mehr als 30 Jahren mit dabei, eine der Grünen Damen sogar schon seit 39 Jahren, darauf ist Lieselotte Busche stolz.
Pflegerische oder medizinische Kenntnisse wie Lieselotte Busche sie mitbrachte, braucht es nicht, um Grüne Dame zu werden. Nur das Interesse an Menschen, sagt die Einsatzleiterin. Ein Vierteljahr lang begleiten Neulinge die erfahrenen Grünen Damen und Herren bei ihrer Tätigkeit. Dabei stellen sie fest, welcher Tätigkeitsbereich ihnen am meisten liegt. Busche betont, wie wichtig es sei, dass Ehrenamtliche sich mit ihrer Tätigkeit wohl fühlen, Spaß haben und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. „Darüber, was jeder an Zeit zu geben bereit ist, darüber sind wir sehr froh“, sagt sie auf die Frage nach dem zeitlichen Engagement, das gefordert ist. Ihren Einsatz können sie dabei ganz individuell und für sie passend gestalten, das ist die gute Nachricht. Sie geben viel, bekommen aber mindestens genauso viel an Anerkennung, Herzenswärme und guten Gesprächen zurück, so die Erfahrung von Einsatzleiterin Busche. Trotzdem bleibt auch den Ehrenamtlichen Belastendes von den Begegnungen. Dafür gibt es regelmäßige Treffen zum Austausch, aber auch zur Fortbildung. Seelsorger Rolf Hirte nimmt durch Gespräche so manche Last von den Schultern der Grünen Damen.
Heute gibt es nur noch eine Altersgrenze für das ehrenamtliche Engagement, die liegt bei 18 Jahren. Eine Obergrenze gibt es nicht mehr.
Fotos: Mark Intelmann