Ragna Reusch – Schnitzwerke

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    Ahausen. Erotisch und frivol soll die rote Fußbekleidung auf gar keinen Fall wirken, da ist Ragna
Reusch ganz klar. Denn für die in Ahausen lebende Künstlerin symbolisieren Pumps in Signalfarbe fröhliche Selbstbestimmtheit, die es erlaubt, sich vieles herauszunehmen. Reusch wählte sie als plakatives Zeichen, um ihren Standpunkt als Frau klar zu machen. Vor noch zwölf Jahren waren die mehr als 30 Zentimeter großen Holzskulpturen wie auch Schuhe farblos. Dann färbten sich die Figuren, die echte Typen sind, von unten nach oben langsam ein. Zuallererst erhielten die Schuhe die Lieblingsfarbe der Kettensägenschnitzerin. Später erst kolorierte sie auch die Kleidung der hölzernen Damen. Ihre Skulpturen befinden sich immer in Bewegung, und immer ist in der Bewegung ein Hauch von Ungelenkheit mit im Spiel. Unter dem „Kerl“ mit „Schnitt-Schutz-Chaps“, Sicherheitsschuhen, Kopftuch und Kopfhörern und einer der vielen Kettensägen in der Hand verbirgt sich eine selbstbewusste Frau – manchmal auch im Kleid. Sie mag die groben Arbeitsspuren, die die Kettensäge auf ihren Figuren hinterlässt.
     
    Ragna Reusch ist ein Überraschungspaket, das Musik, Gesang und Bildhauerei studierte, als Illustratorin ihre Brötchen verdient, fotografisch weiß, wohin die Reise geht, Opern singt, als Skilehrerin arbeitete, im Modedesign zu Hause ist und auch schon als Kabelträgerin im Fernsehen zu tun hatte. „Ich kann viele tolle Sachen, mit denen man angeben kann“, sagt sie lachend. Der größte Spagat in ihrer Arbeit ist der zwischen Kettensägerei und klassischem Gesang. Beim Sägen und Schnitzen, das staubig, ölig und laut ist, nähme sie weg, um stehen zulassen. Dagegen steht das Singen von Arien, mit dem sie Räume füllt, und das sie als anmutig, luftig und rein beschreibt. Für dieses Gefühl brauche es manchmal rote Schuhe. „Kleider machen Leute.“  

    Eigentlich lag ihr das Image des Kettensägenschnitzens so gar nicht, bis sie die Melange aus großer Säge und kleinen Figuren für sich entdeckte. Für solche Skulpturen war die Kettensäge genau das richtige Werkzeug, um schnell ihre Ideen in Holz zu bringen. Reusch arbeitet mit lockerer Kette und viel „Spitze“, eine Technik, die sie aus Pennsylvania mit nach Ahausen brachte. Das Ergebnis sind „bewegte“ Frauen aus Eichenholz, die aberwitzige, ungelenke Verrenkungen auf ihrer Holzstele machen. „Hiermit kann man so herrlich nichts anfangen“, stellt sie nüchtern fest und zeigt voller Stolz ihre Zahnstochersammlung. Allesamt allerkleinste Kunstwerke. Ein Leberwurstbrötchen, eine Waschmaschine oder ein Jogger im neongelben T-Shirt. Weltweit allerbest seien ihre Miniaturen, die ihresgleichen suchen, sagt sie. Für diese Kunst braucht sie keinen eigenen Raum, sondern sie trägt ihre Werkstatt in einem Beutel mit sich. Darin eine zu starke Lesebrille und „das“ Schnitzmesser. „Das rette ich zuerst, wenn es brennt.“ Angefangen hat es mit einer Wäscheklammer, daraus wurden Zahnstocher, die sie mit ihrem Messer bearbeitet. „Das Material ist so herrlich banal.“

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    Schon im Alter von sieben Jahren war das Schnitzmesser ständiger Begleiter von Ragna Reusch. Das Faible für Holz ist ihr geblieben, das Schnitzmesser auch. Ihr liebstes Schnitzformat sind Astgabeln. Auch hier ist sie Ragna Reusch, die nicht schnitzt, was das Holz ihr mitteilt, sondern sie „steckt“ die Figuren in die hölzernen Astgabeln. Sägen und schnitzen kann sie in jedem Format, vom überlebensgroßen Rübenmarktmann bis hin zum minikleinen Zahnstocher. Und so sagte sie auch einfach „ja“ bei einem Anruf aus Hongkong, der ihr den Auftrag zum Schnitzen chinesischer Politgrößen aus Bleistiftminen bescherte. An allen vier Adventswochenenden ist Ragna Reusch mit ihren großen und kleinen Holzkunstwerken auf der Adventsmesse in Hamburg, Koppel 66. Zahnstocher wie hölzerne Damen führt das Kunstkaufhaus Arte Galery von Anaisio Guedes am Hamburger Flughafen.

    Fotos: Mark Intelmann

    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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