Eigentlich lag ihr das Image des Kettensägenschnitzens so gar nicht, bis sie die Melange aus großer Säge und kleinen Figuren für sich entdeckte. Für solche Skulpturen war die Kettensäge genau das richtige Werkzeug, um schnell ihre Ideen in Holz zu bringen. Reusch arbeitet mit lockerer Kette und viel „Spitze“, eine Technik, die sie aus Pennsylvania mit nach Ahausen brachte. Das Ergebnis sind „bewegte“ Frauen aus Eichenholz, die aberwitzige, ungelenke Verrenkungen auf ihrer Holzstele machen. „Hiermit kann man so herrlich nichts anfangen“, stellt sie nüchtern fest und zeigt voller Stolz ihre Zahnstochersammlung. Allesamt allerkleinste Kunstwerke. Ein Leberwurstbrötchen, eine Waschmaschine oder ein Jogger im neongelben T-Shirt. Weltweit allerbest seien ihre Miniaturen, die ihresgleichen suchen, sagt sie. Für diese Kunst braucht sie keinen eigenen Raum, sondern sie trägt ihre Werkstatt in einem Beutel mit sich. Darin eine zu starke Lesebrille und „das“ Schnitzmesser. „Das rette ich zuerst, wenn es brennt.“ Angefangen hat es mit einer Wäscheklammer, daraus wurden Zahnstocher, die sie mit ihrem Messer bearbeitet. „Das Material ist so herrlich banal.“
Schon im Alter von sieben Jahren war das Schnitzmesser ständiger Begleiter von Ragna Reusch. Das Faible für Holz ist ihr geblieben, das Schnitzmesser auch. Ihr liebstes Schnitzformat sind Astgabeln. Auch hier ist sie Ragna Reusch, die nicht schnitzt, was das Holz ihr mitteilt, sondern sie „steckt“ die Figuren in die hölzernen Astgabeln. Sägen und schnitzen kann sie in jedem Format, vom überlebensgroßen Rübenmarktmann bis hin zum minikleinen Zahnstocher. Und so sagte sie auch einfach „ja“ bei einem Anruf aus Hongkong, der ihr den Auftrag zum Schnitzen chinesischer Politgrößen aus Bleistiftminen bescherte. An allen vier Adventswochenenden ist Ragna Reusch mit ihren großen und kleinen Holzkunstwerken auf der Adventsmesse in Hamburg, Koppel 66. Zahnstocher wie hölzerne Damen führt das Kunstkaufhaus Arte Galery von Anaisio Guedes am Hamburger Flughafen.
Fotos: Mark Intelmann