2017 übernahmen Sophia Traut und Hiob Schmitt den 2005 gegründeten Bio-Milchziegenbetrieb. Ohne einen Hof zu besitzen, stolperte die 31-jährige Sophia Traut über eine Annonce auf einem Internetportal und den Verkauf einer kompletten Ziegenherde. Das machte neugierig. Das Ergebnis war nicht nur der Kauf von 70 Ziegen, sondern gemeinsam mit Hiob Schmitt pachtete sie den Hof in Asendorf und übernahm die Ziegerei. Handwerklich sprangen die beiden nicht ins kalte Wasser, Selbstständigkeit aber war ein anderes Thema, sagen sie nun Jahre später. Schon lange suchten sie nach etwas Eigenem, denn von Seiten der Familie hatten sie keinen landwirtschaftlichen Hintergrund geschweige denn Millionen unter dem Kopfkissen liegen. Klar war von Anfang an, dass sie auf Direktvermarktung ab Hof und auf dem Wochenmarkt setzen wollen. Mit ihrem Bio-Rohmilchziegenkäse stehen die jungen Landwirte nun regelmäßig auf den Wochenmärkten in Achim und Hannover. Von Norderney bis Hildesheim führen Restaurants und Hofläden die Produkte der Ziegerei. Schmitt und Traut starteten nicht bei Null, die Ziegerei war bereits etabliert. Deshalb änderten sie auch nichts am Namen. Im Laufe der Jahre entwickelten sie die Rezepturen für ihren Käse weiter, neue kamen hinzu und Ideen gibt es noch genug. Die Akzeptanz von Ziegenprodukten und die Nachfrage nach regionalen Produkten stieg in den vergangenen Jahren und aus der Gastronomie werden sie so oft angefragt, dass sie nicht alle Anfragen bedienen können, so Sophia Traut.
Dass sie seit drei Jahren keinen Urlaub gemacht haben, sei eigentlich in Ordnung, sagen Sophia Traut und Hiob Schmitt. Trotzdem haben sie sich für ihre Ziegerei in Asendorf vor geraumer Zeit ein wenig Hilfe gegönnt. Denn sie arbeiten sieben Tage pro Woche von morgens sechs bis abends um 19 Uhr. Dann aber ist, und das leisten sie sich, in ihrer Bio-Rohmilchkäserei wirklich Feierabend. Mit sechs Uhr in der Frühe starten die beiden zu einer relativ zivilen Uhrzeit in den Tag. Das können sie sich erlauben, weil sie ihre eigenen Chefs sind. Die Uhrzeit klinge in der Landwirtschaft moderat, so Traut, aber bei „sieben Tage die Woche“ während des gesamten Jahres relativiere sich das. Jeder Tag ist anders trotz Routine, an jedem Tag warten neue und andere Herausforderungen. Gleich bleibt, dass am Anfang und Ende eines jeden Tages die Ziegen stehen, die gemolken und versorgt werden wollen. Sophia Traut und Hiob Schmitt versorgen aber nicht nur die Ziegen, melken und bereiten aus der Bio-Milch Rohmilchkäse, sondern bauen für die Versorgung ihrer Tiere mit Heu auch selber Gras an. Für die Fleischproduktion bringen sie die Lämmer, die eigentlich um der Richtigkeit Genüge zu tun, Zicklein oder Zicklamm genannt werden, zum Bioschlachter. Denn nur dann dürfen sie das Ziegenfleisch auch als Bioprodukt vermarkten.
Mit der „Rolle-Natur“, einem handgeschöpften zu 100 Prozent aus Ziegenmilch hergestellten Frischkäse aus ihrer kleinen Hofkäserei, ist der „Kulinarische Botschafter Niedersachsen 2019“ auf dem Hof in Asendorf zu Hause. Im Herstellerwettbewerb „Kulinarisches Niedersachsen 2019“ wurde der Frischkäse von der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft ausgezeichnet. Es sei schon cool, wenn eine Fachjury feststellt, dass der Käse technologisch gut gelungen sei und geschmacklich überzeugt, berichtete Hiob Schmitt stolz über die Bedeutung des Preises.
Als Kuh des kleinen Mannes gibt die Milchziege pro Jahr bis zu 1200 Kilogramm Milch, das entspricht einer Milchleistung von drei bis vier Litern pro Tag. Für einen 25 Kilogramm schweren Hartkäse benötigt Hiob Schmitt 300 Liter Ziegenmilch. Der Fachagrarwirt für handwerkliche Milchverarbeitung versucht, so viel wie möglich aus dem Produkt Ziegenmilch herauszuholen. Das bedeutet, dass er in der weiß gekachelten Käserei aus der Molke auch noch Ricotta herstellt. Und früher, weiß Hiob Schmitt, wurde mit der verbleibenden Wasser-Mineralstoffemulsion sogar die Käserei geputzt. Das geht heute nicht mehr, gelten auch für kleinste Betriebe höchste Hygienestandards. Pro Jahr produziert die Ziegerei 38.000 Kilogramm Milch und schlachtet 60 bis 80 Zicklämmer. Viermal pro Woche stellt Hiob Schmitt in seiner Käserei Käse her und kümmert sich um die Pflege der Hartkäse in den Reiferäumen. Die entsprechen nicht der romantischen Vorstellung feuchter mit Edelschimmel besetzten Höhlen, sondern sind schlicht weiß gekachelt. Wegen der Hygiene. Luftfeuchtigkeit und Temperatur werden gesteuert. Trotzdem, so Schmitt, besiedeln mit der Zeit bestimmte Bakterien die Raumluft.
90 Ziegen stehen im dick mit Stroh eingestreuten Stall. Jeden Tag wird für das Wohlfühlprogramm der Ziegen frisches Stroh verteilt, zweimal pro Jahr die beiden Ställe komplett ausgemistet. Der Mist wandert auf die hofeigenen Felder. „Der wäre begehrt, geben wir aber nicht her“, sagt Sophia Traut lachend. Stehen die Ziegen nicht auf den Weiden, fressen sie Heu und bekommen aufgrund ihres Jobs als Milchvieh Kraftfutter. Im Winter gibt es bestes Gemüse vom Biohof. Über Möhren, Pastinaken und gelbe und rote Beten, die der Handel nicht mehr abnimmt, freuen sich die Ziegen. Ziegen seien saisonale Tiere, die im Herbst tragend werden und im Frühjahr lammen. Wie im Mutterschutz müssen sie in den letzten acht Wochen ihrer Trächtigkeit „nicht arbeiten“ und geben keine Milch. In Fachkreisen wird dies als „trocken stehen“ bezeichnet. Würde man diesem Rhythmus für die gesamte Milchziegenherde folgen, gäbe es acht Wochen lang keine Ziegenmilch, daher auch keinen Käse, dafür aber 160 Zicklämmer im Frühjahr. Um den Betrieb wirtschaftlich zu gestalten, werden daher 50 Prozent der Herde durchgemolken. „Das ist ein bisschen wie beim Menschen, manche Mütter stillen drei Monate, andere drei Jahre“, erklärt Sophia Traut lachend. Mithilfe dieses „Kunstgriffs“ gibt es das ganze Jahr über Milch und die Produktion von Ziegenfleisch bewegt sich in einem wirtschaftlichen Rahmen. Zu ihren Kunden gehört Pades Restaurant in Verden, das von 1993 bis 2010 einen Michelin-Stern führte und als einziges in der Region im Feinschmecker-Guide auftaucht. Sophia Traut und Hiob Schmitt leben die Bio-Idee und ernähren sich selber ganz im Zeichen von Region und Saison. „Wir kaufen im Winter keine Tomaten, sondern essen lieber im Sommer umso mehr“, so ihr Credo. Auf den Wochenmärkten tauschen sie gerne mit anderen Produzenten Käse gegen Zucchini und Tomaten.
Fotos: Arne von Brill