Ackern statt Rackern

    Veröffentlicht:

    Riepholm. Fragebögen und Stationen sind nicht ihre Sache, sie liebt es praktisch und anschaulich. Und weil das so ist, zeigt sich auch der Schulbauernhof Riepholm und die Arbeit des gemeinnützigen Vereins „ackern & rackern“ genau so. Christiane Burandt-Gabriel ist nicht nur erste Vorsitzende des 1999 gegründeten gemeinnützigen Vereins „ackern & rackern“, sondern auch Gründungsmitglied der ein Jahr vorher aus der Taufe gehobenen Initiative „Schulbauernhof“. Vor allem aber ist die Diplomagraringenieurin und Erlebnispädagogin Seele und Geist der Idee, Landwirtschaft hautnah erleben zu lassen und Lebensmittel wertschätzen zu lernen. 2002 wurde der Verein endgültig erwachsen und mauserte sich in der Heideregion in einem Netzwerk niedersächsischer Bildungseinrichtungen zum regionalen Bildungsträger. 

    Foto: Mark Intelmann

    Tüte aufreißen war gestern. Auf dem Schulbauernhof Riepholm verwenden die Grundschüler im Rahmen der Veranstaltung „Rund ums Getreide“ für die Zubereitung von Vollkornwaffeln ganze vier Stunden Zeit. Das steht im krassen Gegensatz zu dem normalen Alltag der Grundschüler, in dem eher der Griff in die Supermarktregale an der Tagesordnung ist. Auf Riepholm aber steht vor dem Genuss jede Menge schweißtreibender Arbeit. Da wird das Korn mit dem Dreschflegel vom Halm gedroschen und dann mit einer von Hand angetriebenen Mühle gemahlen. Melken gehört bei den Drittklässlern der Grundschule Bothel am Trochel zwar nicht zum Programm, der Besuch im Kuhstall aber trotzdem. Für die Zubereitung ihrer Waffeln sammeln sie im Hühnerstall nestwarme Eier ein. Das alles schmecken sie als sie nach vier Stunden gemeinsam im Schlusskreis ihr Tageswerk genießen. Als stark erlebnisorientiert bezeichnet Burandt-Gabriel diese Art der Wissensvermittlung, die den Schulbauernhof von anderen unterscheidet. Sie schmecken Waffeln, Bauernhof, Spelzen und Arbeit. Und die Grundschüler sind dankbar. Dankbar für die gute Zusammenarbeit aller, für die Arbeit der Bauern, das Wachsen des Getreides, dankbar für die Eier der Hühner und die Milch und die Butter von den Kühen. Aber auch dankbar für die Arbeit von Landwirt Olaf Wilkens, der seit 27 Jahren die aus dem 17. Jahrhundert stammende Hofstelle bewirtschaftet und 1994 auf Bioanbau umstellte. Er und sein Hof haben erst einmal nichts von dem vom Verein angebotenen Bildungsangebot, dem pro Jahr 1.500 Interessierte folgen. Ja, er sei dadurch bekannter geworden. Und ja, auf sehr niedrigem Niveau sei die Selbstvermarktung dadurch angekurbelt worden. Viermal pro Woche besuchen seit 22 Jahren Schulklassen, Kindergarten- und Freizeitgruppen den landwirtschaftlichen Betrieb. Und ja, es tangiert Olaf Wilkens schon, wenn viel Betrieb auf dem Hof ist. Aber ganz Idealist, arbeitet er dann eben an einer anderen Stelle. „Ich wundere mich schon, das am Trecker noch alles dran ist“, gibt er lachend zu. Dass das so ist, dafür sorgen Christiane Burandt-Gabriel und ihre Mitarbeiter. Sie übernehmen Verantwortung. Nur unter Aufsicht dürfen Ställe und Maschinenpark besucht werden. Aber die Grundschüler dürfen überall dicht ran und riechen, schmecken, anfassen. „Das ist besonders hier.“ Eine öffentliche Spielwiese aber ist der Betrieb, der von Ackerbau, Rindern, Hühnern, einer Heidelbeerplantage sowie von Wald- und Forstwirtschaft existiert, auf gar keinen Fall. Und dann fällt Olaf Wilkens immer mehr ein, was die Arbeit mit Kindern auf seinem Hof so besonders macht. Die Hilfe beim Feldsteinesammeln und bei der Kürbisernte, vor allem aber die Anerkennung, die seine Arbeit als Landwirt erfährt, das ist ihm reichlich Lohn.

    Foto: Mark Intelmann

    Die Anfänge der Idee Schulbauernhof waren von Idealismus und low-budget geprägt. Das ehemalige Kartoffelkeimhaus wurde zum Seminarhaus erklärt. Das sei nicht in einem tollen Zustand gewesen, so die Naturerlebnispädagogin, aber es reichte. So ist es immer noch. „Wir stecken nicht viel Geld rein, dafür aber viel Arbeit“, erklären Christiane Burandt-Gabriel und Olaf Wilkens unisono. Es funktioniert seit 22 Jahren. Seit 22 Jahren aber fragen sie sich jedes Jahr aufs Neue, ob es weitergeht. Ohne das Förderprogramm ELER – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums – mit der Maßnahme „Transparenz schaffen – von der Ladentheke bis zum Erzeuger“ und die Förderung durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sei allerdings eine langfristige Arbeit gefährdet. Und Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ist „ackern & rackern“ ein Anliegen. Ab der ersten Klasse besuchen Schüler aus einem Umkreis von 20 Kilometern den Schulbauernhof. Manche kommen in ihrer Grundschulzeit vier- bis fünfmal. Es ist das Aha-Erlebnis, das Christiane Burandt-Gabriel immer wieder mit Freude beobachtet, wenn den Grundschülern wie Schuppen von den Augen fällt, dass Zucker aus der Zuckerrübe und nicht aus der Tüte stammt. Wie sich Ess- und Konsumverhalten aber langfristig entwickeln, das weiß auch die Diplomagraringenieurin nicht vorherzusagen.

    Foto: Mark Intelmann

    „Ist doch verblüffend“, sagt Burandt-Gabriel. Denn obwohl die Besucher des Schulbauernhofs aus dem ländlichen Raum stammen, ist ihre Realität eine andere. Wenige dafür umso spezialisiertere landwirtschaftliche Betriebe, nicht zugängliche Stallungen und große Maschinen zeigen ein anderes Bild von Landleben. Keiner hole mehr Milch vom Bauern, weiß sie aus Erfahrung, sondern aus dem Supermarkt. Was liegt da näher als zu glauben, dass die im Supermarkt oder einer Fabrik entstehen. Landwirtschaft habe mit dem Leben der Kinder nichts mehr zu tun, sondern sei nur noch eine Kulisse, durch die man mit dem Auto fährt. Daher sei es umso wichtiger, über Landwirtschaft und deren Produkte aufzuklären. Dieser Aufgabe stellt sich „ackern & rackern“ seit mehr als zwei Jahrzehnten, immer in der Vegetationsperiode ohne Ferienzeiten.

    Foto: Mark Intelmann
    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
    ANZEIGE

    Weitere STARKE Artikel

    Hier kommt Alex – Alexander Krützfeld stellt sich vor

    Wir STARK-Redakteure erfahren es während der Teamsitzung: Das Magazin...

    Atlas von der Wehl – Service rund um die Uhr

    Lauenbrück. Service wird bei der Atlas von der Wehl...

    Steuerberater Peters & Partner – Kompetenz und persönliche Beratung

    Ob Umsatz- oder Gewerbesteuer, Fragen zur Erbschaftsteuer oder zur...
    ANZEIGE

    Folge uns!

    STARK auf Instagram