Anne Richards – Wandmalerin aus Langwedel

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    Langwedel. Wand frei für Auszeiten an der Wand
    Sie kann auch klein. Denn eigentlich sei sie sie eine Fummlerin, sagt Anne Richard über sich, und liebe das kleinteilige Arbeiten. Das Markenzeichen ihrer Arbeit aber, mit der sie mittlerweile in Cluvenhagenals selbstständige Künstlerin arbeitet, ist das Großformat. Ihr erstes, größtes Projekt war 2016 die Bemalung des Etelser Bahnhofstunnels. Der bot 350 Quadratmeter Malfläche. Seitdem bekomme sie gefühlt überwiegend Aufträge für Flächen unter freiem Himmel, sagt die Langwedeler Wandmalerin. Eigentlich kommt Anne Richard, die aufgrund ihrer Kreativität die Waldorfschule besuchte, aus der „Pinselmalerei“. Den verwendet sie für ihre großen Werke nach wie vor, allerdings meistens um liebevolle Details auszuarbeiten, die ihre Arbeiten charakterisieren.

    Dem großen Format ihrer Werke geschuldet wie auch aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit der Untergründe eignete sich Anne Richard sich im Laufe der Jahre das Malen mit vielen Techniken und unterschiedlichen Farben an. Dazu gehört auch das aus der Graffitiszene bekannte Sprayen. Für ihre Wandmalerei im Außenbereich verwendet sie zwar ganz lax den Begriff „Graffiti“, im engeren Sinne aber trifft die Bezeichnung nicht den Charakter ihrer Kunst. Denn die ist bunt und phantasiereich und nicht ohne Sinn für Realität. Zur Erlernung des Sprayens schaute sich Anne Richard in die Sprayerszene ein. „Es gibt so tolle Sprayerkollektive,“ erzählt sie ganz begeistert. Von anderen Sprayern werden ihre Werke in aller Regel in Ruhe gelassen und nicht übersprüht. Das sei sicherlich eine Sache der Ehre unter Gleichgesinnten, so die Mutmaßung. Anne Richard vermutet auch, dass es eine Hemmschwelle gibt, Bemaltes zu übermalen. „Die richtigen Sprayer machen so etwas nicht.“ Sogar im Bahnhofstunnel erfahren ihre phantasievollen Bilder nur Wertschätzung und keine Verunstaltung. Einfarbige Flächen seien allerdings gefährdet. Deshalb beginnt sie innerhalb von zwei Tagen nach der Grundierung einer großen Fläche mit der Bemalung.

    2007 fing es langsam an. Sie bekam von Freunden und Bekannten erste Anfragen für die Bemalung von Kinderzimmern. „Es war ein ganz langer, langsamer Prozess, das Kreative zum Beruf zu machen“, sagt die gelernte Krankenschwester. Anfangs arbeitete sie als Kleinunternehmerin, seit 2016 nimmt die Wandmalerei mehr Raum ein und ist nicht mehr nur Nebenberuf. Es waren TV-Sendungen aus dem Genre „Schöner Wohnen“, in denen eine kreative und individuelle Umgestaltung von Häusern und Wohnungen propagiert wurde, die ihr Handwerk beflügelte. Von der Zeitströmung, sich individuell und „nicht von der Stange“ einzurichten, profitierte Anne Richard. Als Auftragsmalerin setzt sie Kundenwünsche um. „Die sind teilweise völlig unabhängig von meinem Geschmack“, sagt sie ganz ehrlich. Sie finde es aber total spannend und bereichernd, in fremde Haushalte zu gehen und herauszufinden, was den Kunden gefalle. So kommt es vor, dass manche Findungsprozesse durchaus länger ausfallen. Aufgrund ihrer Erfahrung aber entwickelte sie im Laufe der Jahre ein gutes Gespür für Farben und Formen. Während ihrer eineinhalbjährigen Weiterbildung zur Illusionsmalerin in München konnte sie ihre Erfahrungen ausbauen und Vertiefen. „Mit dieser Art der Malerei lassen sich Räumlichkeiten völlig verändern“, so Anne Richard. Kleine Wände erscheinen groß oder weichen einem „Durchgang zum Meer“. Für diese Art der Malerei verwendet die Selfmade-Malerin eher harmonische, abgedämpfte Farben. Im Außenbereich darf es etwas kräftiger sein. Trotzdem achtet die Malerin darauf, dass sich Farben und Motive in die umgebende Landschaft und Einrichtung einfügen. Der Wunsch nach gegenständlicher Wandmalerei sei damit verbunden, dass Kunden bei der Betrachtung der bemalten Flächen eine Auszeit nehmen und einen kleinen Urlaub vom Alltag erleben.

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    Es gibt aber auch Aufträge auf Leinwand, bei denen sich die Wünsche durchaus in die Richtung von informeller Kunst bewegen. Denn die freie Künstlerin bemalt nicht nur Flächen im öffentlichen Raum wie Tunnel und Gas- und Stromstationen im Landkreis Verden. Auch die Bemalung einer Beinprothese mit einem Tattoo stand bereits auf ihrer Auftragsliste. Mit Ehemann Dirk Ebhardt arbeitete sie an gemeinsamen Projekten und auch mit Tochter Lina (19). Der Cluvenhagener Zimmermeister baute Möbel, sie gestaltete dazu an den Wänden die passende Erlebniswelt. Für die Stadtbibliothek Verden bemalte Anne Richard in ihrer Werkstatt in Cluvenhagen große Tischlerplatten mit Märchenmotiven und arbeitet dabei mit dem Tischler Florian Münter zusammen. Sie freue sich, dass Menschen in und an ihren Bildern leben. Die 350 quadratmetergroße Wand des Etelser Bahnhofstunnels bemalte sie selber, kleinere Flächen gestaltete sie in Zusammenarbeit mit den Kindern der Kinderarche Langwedel, Etelsen und Thedinghausen. Für Innenräume verwendet sie Wand- und Acrylfarben. „Ich habe gelernt, mit vielen Malmitteln, Lacken und Untergründen umzugehen“, sagt sie selbstbewusst. Es gebe einfach viele Herausforderungen bei den Untergründen. „Ich empfehle jedem, der in diesem Bereich arbeiten will, vorher eine Maler- und Lackiererausbildung zu machen“, so ihr heißer Tipp. Den Weg beschritt Anne Richard nicht. Sie studierte stattdessen viele Merkblätter und traute sich, andere Wandmaler und Malerfirmen um Rat zu fragen. „Hallo, ich bin die Konkurrenz aus dem Norden und hab da mal ´ne Frage“, so ihr Entree. Weil sie viel fragte und sich umfassend informierte, ging tatsächlich nichts schief. Darauf ist sie stolz. Es seien die chemischen Reaktionen, um die man wissen müsse. Denn die bedingen die verschiedenen Vorbehandlungen der Untergründe. Und die wiederum seien abhängig vom Zustand der Wand.

    Jeder neue Auftrag sei eine Herausforderung und spannend. „Ich muss mich mit Themen auseinandersetzen, die außerhalb meiner Komfortzone liegen“. Bildende Künstler bleiben über Jahre und Jahrzehnte ihrem Stil treu, bei Anne Richard läuft es anders. Sie baut aus Voraussetzungen und Ideen Bilder. „Das ist kein Verbiegen, sondern eine Bereicherung.“ In ihrer Laufbahn hat sie kein Motiv zweimal gemalt, jede Darstellung ist ein Unikat, versichert die Cluvenhagener Wandmalerin. Ihre Entwürfe macht sie mittlerweile digital und bemalt dabei die Wunschfläche. Sie möchte kein Überraschungspaket liefern, so der Ansatz. Erst nach Absegnung des Entwurfs schwingt sie Spraydose und Pinsel. Ganz am Anfang ihrer Karriere machte sie Fotos von den zu bemalenden Flächen und gestaltete die zur besseren Vorstellung mit ihrem Entwurf im DIN-A-4-Format. Gerade im Innenraum sei es wichtig, das Motiv im Kontext von Raum und Einrichtung zu sehen. Waren die Vorgaben in ihren Anfängen sehr konkret und spezifisch, kann sie je sichtbarer aber ihre Werke im öffentlichen Raum wurden, umso freier arbeiten. Ihr neuestes Projekt ist die Ausstellung ihrer Werke in der Galerie „Weserart- Das Atelier im Weserpark“, in der sie mit 13 anderen Künstlern aus Bremen und der Region einen vorübergehenden Leerstand von 1.000 Quadratmetern bespielt.

    Zuhause aber lässt sie Wände Wände sein, weil sie genug Arbeit mit ihrer Arbeit zu tun hat. Sie bewege sie sich zwischen Kunsthandwerk und Handwerk, sagt sie. Es sei schwierig für sie, sich einzuordnen, weil sie einfach vieles so gerne tue. Nicht nur malen, sondern auch Gedichte und Kinderbücher schreiben, Skulpturen gestalten oder Lichtschalterfiguren ähnlich Kantenhockern zu designen.

    Fotos: Arne von Brill, Anne Richard

    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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