
„Unsicherheit ist immer gefährlich“, wissen die beiden Jungunternehmer. „Und wenn du nicht weißt, was finanziell auf dich zukommt, wirst du nochmal vorsichtiger“, zeigen sie Verständnis für die Kaufzurückhaltung vieler ihrer bisherigen Kunden. Gespart werde in Krisenzeiten nun mal zuerst beim Essengehen und dann bei den Lebensmitteln. Das bekämen zurzeit gerade auch Bio- oder Hofläden zu spüren, wo es seit Kriegsbeginn ebenfalls Umsatzeinbußen von circa 30 Prozent gebe. „Das ist aber für uns nicht das Ende, wir machen erstmal eine Pause“, sind sich die beiden Heins-Brüder einig. Denn: Aufgeben ist für Maarten und Berend keine Option. Im Gegenteil: Sie sehen die aktuelle Krise als Chance, ihre Geschäftsidee auf den Prüfstand zu stellen und wollen demnächst – „back to the roots“ – ihren sonntäglichen Brötchenservice auf den Sonnabend erweitern und liebäugeln sogar mit einer Ausweitung des Angebots in Richtung Stade und Buxtehude. Denn bis auf den für sie aus organisatorischen Gründen schwer zu erschließenden Süden rund um Visselhövede beliefert Bröös bereits jetzt den gesamten Landkreis Rotenburg mit Frühstücksbackwerk. Das funktioniert derzeit von fünf Standorten und Packstationen aus in Kooperation mit zurzeit vier dort ansässigen Bäckern: in Rockstedt, Gnarrenburg, Tarmstedt, Zeven und Sottrum. Knapp drei Dutzend Minijobber, die je nach Betriebszugehörigkeit bis zu 14,50 Euro Mindestlohn plus Kilometergeld plus Trinkgeld erhalten, stellen die pünktliche Belieferung der rund 1000 Kunden an jedem Sonntag zwischen 5 und 8.30 Uhr sicher.
Angefangen hatte 2008 in Rockstedt alles ganz klein mit Maartens Fahrrad und einem Anhänger. Dank Mundpropaganda und einigen selbst entworfenen Handzetteln schwappte die Kunde von Heins‘ Brötchenservice schon bald auf die umliegenden Gemeinden über. Dass diese logistische Herausforderung gemeistert werden konnte, verdankten die beiden Jüngstunternehmer vor allem auch ihrem Vater Johannes. Denn man kann als Elfjähriger noch so gute Ideen haben – ohne Führerschein und eigenes Auto läuft irgendwann gar nichts. „Zeitlich ließ sich das bei unserem Vater einrichten, denn wir haben keine Milchkühe, wo es frühmorgens feste Melkzeiten gibt, sondern Schweine und Hühner“, erinnert sich Maarten an die Anfänge. Mittlerweile hat er selbst eine Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister absolviert und kümmert sich um die Schweinezucht, sein Vater managt das Federvieh – und ist immer noch jeden Sonntag am Start und springt beim Brötchenverteilen immer noch gern, wenn mal Not am Mann ist. Berend Heins hingegen hat vor etwa einem Jahr seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach Köln verlegt, wo er mit einigen Kollegen zusammen kleinere und mittelgroße Onlineshops berät. Bei Bröös hat er sich seitdem weitgehend aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und kümmert sich vor allem ums Marketing. Und das aus Gründen, wie schnell deutlich wird, wenn sich die beiden Brüder über die Vorzüge eines Brötchen-Abos austauschen. „Das lohnt sich schon, wenn du drei Kilometer vom Bäcker entfernt wohnst“, wirbt Maarten Heins für sein Geschäftsmodell, während Berend noch eins draufsetzt: „Das lohnt sich sogar, wenn du direkt neben dem Bäcker wohnst…du musst nicht aufstehen und los, du musst nicht in der Schlange stehen und du hast auch nicht das Problem, dass morgens um neun bei manchem Bäcker die ersten Sorten schon ausverkauft sind“, unterstreicht er seine Argumente mit dem Blitzen seiner knallblauen Augen.
Dass der Begriff „operatives Geschäft“ für Bröös keineswegs zu hoch gegriffen ist, wird deutlich, wenn man sich die letzten Jahresumsätze ansieht: Statt Taschengeldaufbesserung in Höhe von immerhin auch schon ein paar Hundert Euro im Monat wie am Anfang des Schüler-Startups und 2019 gestartet mit zunächst drei mit Lebensmittelkisten belieferten Haushalten, verbuchten Maarten und Berend Heins in den Jahren 2020 und 2021 Umsätze von jeweils locker über eine Million Euro. „Löppt“, wie man wohl auch in Rockstedt sagen würde. Und der Abo-Lieferservice mit frischen Lebensmitteln aus der Region und am Ende im Schnitt täglich 80, zu Spitzenzeiten 150 Kunden bekam noch einmal einen zusätzlichen Schub, als Anfang 2020 ein chinesisches Virus, das fortan die Menschen auf Distanz und mehr und mehr aus Ladengeschäften fern hielt, dafür sorgte, dass der Onlinehandel im Allgemeinen, der Foodsektor aber im Besonderen förmlich explodierte. „Corona hat uns da eben mal zehn Jahre nach oben katapultiert“, bilanziert Berend Heins.
Bröös‘ Lieferservice sah und sieht sich laut der Heins-Brüder dabei nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu den stationären Geschäften in den diversen Gemeinden. Dabei wurde durchaus nicht gekleckert, sondern geklotzt: Rund 1500 Artikel – Lidl und Aldi bieten laut Maarten Heins etwa 2500 Artikel an – hatten die Brüder im Sortiment, das man sich individuell zusammenstellen konnte – stets frisch, alles regional, zum Teil sogar Bio wie etwa die Produkte der Hofmolkerei Dehlwes aus Lilienthal. Und nachhaltig, wie die Brüder betonen. So gingen Waren mit bevorstehendem Ablaufdatum an die Zevener Tafel, nicht mehr ganz frisches Obst und Gemüse konnte in sogenannten Haustiertüten kostenlos zum Abo dazu gebucht werden.
Aber mit all dem ist jetzt erst einmal Schluss. „Wir wissen nicht, wann und wie es weitergeht, aber vermutlich reden wir frühestens vom zweiten Quartal 2023“, sind sich Maarten und Berend einig. Aber dass es nach einer Unterbrechung von vielleicht sechs oder neun Monaten weitergeht, das steht für beide außer Frage. Allein schon, weil sie bisher immer nur positive Rückmeldungen von ihren Kunden erhalten hätten. „Die sind einfach der Hammer“, schwärmt denn auch Berend mit einem Quäntchen Wehmut.
Maarten Heins jedenfalls will sich verstärkt Gedanken darüber machen, wie er das Schweinefleisch von seinem Hof, das zwar nicht Bio ist, aber der höchsten Haltungsstufe IV entspricht, online vermarkten kann. Taten statt warten, könnte also das Motto in dieser kreativen Pause lauten. Und da überrascht es nicht, dass er bereits einen weiteren Pfeil im Köcher hat, mit dem er vielleicht schon bald einen erneuten Volltreffer landen könnte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Fotos: Mark Intelmann, Berend und Maarten Heins