Annette Freudling – Meerzahl

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    Ottersberg. Nur ein paar Schritte sind es vom Haus bis zur Wümme. Die hat selbstredend nicht so viel Wasser zu bieten wie die Nordsee, die Annette Freudlings Heimatstadt Wilhelmshaven prägt – ist aber immerhin ein Anblick von Natur pur. Zum Gespräch über „Meerzahl“, das neue Buch der Autorin, und die Hürden bei der Existenzgründung geht es dann ins warme Wohnzimmer. Dort wartet nicht nur Tee, sondern auch Kater Lümmel, der die Themen Literatur und Selbstständigkeit – dem Gesichtsausdruck nach – jedoch sehr gelassen nimmt. Zwölf Jahre sind zwischen „Blindgänger“, dem ersten Buch von Annette Freudling, und dem zweiten vergangen. „So wird man natürlich keine Bestsellerautorin! Diesen brandheißen Tipp kann ich den Lesern des Magazins schon jetzt gratis geben“, berichtet die 47-Jährige lachend.

    Blick zurück: In Neustadt in Holstein geboren, verbrachte Annette Freudling ihre Kindheit und Schulzeit in Wilhelmshaven. Nach dem Abitur ging es für sie zunächst ein Jahr als Au-pair in die USA und schließlich zum Studium nach Bremen (Kulturwissenschaften, Anglistik, Germanistik). Es folgte ein kurzer, durchaus abschreckender Abstecher in eine Werbeagentur in Hamburg – denn dort habe das Betriebsklima in der in zwei Lager geteilten Firma so ganz und gar nicht gestimmt, erinnert sie sich. So kam es zum Wechsel in die Wümmestadt, wo das passende Jobangebot wartete. Und auch wenn sie aktuell knapp außerhalb der Grenzen des Landkreises Rotenburg wohnt, so werden viele Menschen im Altkreis sie noch kennen. Sieben Jahre, davon fünf als Redakteurin, trieb es Annette Freudling nämlich als Redaktionsmitglied einer Rotenburger Lokalzeitung mit Stift, Block und Kamera im Gepäck Tag für Tag zu den verschiedensten Terminen – von der Ausstellungseröffnung bis hin zur Gemeinderatssitzung. Doch irgendwann wurde es Zeit für einen Wechsel und Annette Freudling arbeitete eine Zeit lang als Lektorin in einem Verlag. Als das Arbeitsverhältnis auslief, stand die beherrschende Frage im Raum: „Wie gehe ich mit dieser Situation um?“ Eine mögliche Selbstständigkeit wurde zum Gedankenspiel. Wie kann der Schritt überhaupt finanziell gelingen? „Ohne das nötige Coaching hätte ich ihn nicht gewagt“, berichtet Annette Freudling, die schließlich einen Existenzgründerkurs belegte – und einen solchen würde sie auch jedem empfehlen, der mit einem ähnlichen Gedanken in punkto Selbstständigkeit spielt. „Der Kurs war sehr entscheidend für mich, denn die Coaches haben einen professionellen Blick auf die Dinge. Selbst sieht man irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Es ist gut, wenn jemand alles sortiert und die entscheidenden Fragen stellt.“ Etwa: „Wo liegen Ihre Stärken?“ Und als Annette Freudling damals „beim Schreiben“ antwortete, war klar, dass ihre eigentliche Existenzgründeridee (Fotografie) gar nicht die richtige gewesen wäre.

    Sehr intensiv wurde ein halbes Jahr lang in dem Kurs gearbeitet, beispielsweise zu Themen wie Versicherungen, Buchhaltung und Business-Plan. „GRUNDSÄTZLICH – Bessere Texte“, so lautet der Name, unter dem Annette Freudling heute Kundinnen und Kunden dabei hilft, deren Themen als Lektorin, Texterin und Schreibcoach sprachlich ins richtige Licht zur rücken. Doch an Tag eins der Selbstständigkeit stehen die Kunden natürlich nicht automatisch Schlange. Ein neues Klingelschild an der Tür bringt nicht postwendend die ersehnten Aufträge. Ohne die Unterstützung ihres Mannes wäre es in der ersten Zeit wohl nicht gegangen, gibt Annette Freudling zu, denn große finanzielle Reserven habe sie nicht gehabt. Und sie ist froh, dass frühere Kollegen ihr an der einen oder anderen Stelle Aufträge vermitteln konnten. Ohne diese Hilfe hätte sie das erste Jahr nicht geschafft, gibt sie zu bedenken. „Netzwerk – dieses Wort hört man ja immer wieder. Und man kann es tatsächlich nicht oft genug betonen, denn das Netzwerk ist alles.“ Ohne Kontakte funktioniere es nicht. Und auch wenn natürlich die Werbung über soziale Medien und die Homepage dazugehört, 95 Prozent der Aufträge erhalte sie aktuell weiter über Netzwerkarbeit. Mitglied ist Annette Freudling übrigens im Verein FrauenUnternehmen Verden. Dort fühlt sie sich wohl und schätzt den Austausch.

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    Und dann sind da ja noch ihr Weg als Autorin und das neue Buch. Mit „Blindgänger“ hatte Annette Freudling schon 2005 einen höchst beachtenswerten Bremen-Krimi als Erstlingswerk an den Markt gebracht. Nach zwölf Jahren Pause nun „Meerzahl“, in der Edition Falkenberg erschienen. Vier Jahre Arbeit, Energie und Disziplin stecken in den gedruckten 180 Seiten. Der unerfüllte Kinderwunsch – ein ernstes Thema, das die Autorin sprachlich fein herüberbringt und trotz der Tragik mit besonderem Humor. Darum geht es: „Mit Tiefdruckgebieten kennt Hannah sich aus: Schon am Tag ihrer Geburt standen die Zeichen auf Sturm, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Zwar hat Viktor, der Tischler, etwas Stabilität in ihr Leben gebracht. Aber die ersehnte Schwangerschaft lässt auf sich warten, die Kinderwunschbehandlung verschlingt das letzte Geld. Kann ausgerechnet ein exzentrischer Architekt die Zukunft des Paares retten? Und wohin führt Hannahs sonderbare Affinität zum Meer?“ Eine tragikomische Geschichte um Familie, Beziehung und das Gegenteil von guter Hoffnung. Die Dramatik, die gescheiterten Lebensentwürfen innewohnt, trieb Annette Freudling schon lange um und eines Tages war der Impuls groß genug, sich für ein Buchprojekt an die Tastatur zu setzen. So manches stammt inhaltlich aus realen Familiengeschichten, wenn auch für das Buch fiktionalisiert. Wer aus der Region stammt, wird immer wieder über bekannte Ortsnamen und Bezeichnungen stolpern – beispielsweise über Ottersberg, wo die Autorin aktuell wohnt. „Die Geschichte musste einfach wachsen“, berichtet Annette Freudling über die vierjährige Entstehungszeit. Auch über den Titel wurde viel gegrübelt, da gab es „zig Versionen“, doch „Meerzahl“ setzte sich durch. Die Covergestaltung hat die Autorin selbst übernommen. „Das Cover sollte unbedingt das Tragikomische widerspiegeln“, erklärt sie. Das Motiv „Land unter im Wohnzimmer“ erschien ihr passend. Eine Menge positives Feedback hat sie schon erhalten, bestritt diverse Lesungen. Kommt irgendwann Buch Nummer drei? „Bei meinem bisherigen Tempo können sich die Leser darauf im Jahr 2029 freuen“, lacht Annette Freudling. – Hoffentlich schon früher!

    Fotos: Wibke Woyke

    Wibke Woyke
    Wibke Woyke
    Wibke Woyke schrieb von September 2017 bis Juni 2020 für die STARK.
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