„Eine Excel-Tabelle, Word und ‘ne gute Handvoll Rechnungen im Schuhkarton – so sah das damals aus, oder?“ Christoph Burmester, der heute neben Ralf Hastedt als Avides-Geschäftsführer fungiert, versucht sich zu erinnern. „Es war kein nennenswerter Umsatz, aber es entstand eine tolle Community über deine Seite. Das war damals noch alles anders, da traf man sich auch einfach mal zum Schnacken mit den Kunden, weißt du noch?“ Ralf Hastedt nickt und lächelt: „Das war quasi ein Social-Media-Vorgänger.“ 30 bis 40 Bestellungen die Woche. Mit solchen Zahlen konnte Ralf Hastedt zu dieser Zeit rechnen. Auch sein Freund Christoph Burmester, der parallel einen DVD-Verkauf in Stuttgart startete, bewegte sich in diesem Segment. Sie unterstützten sich aus der Ferne, teilten Produkte und Erfahrungen – und legten ihr Geschäft später zusammen. Ralf Hastedt: „Ich stand dann irgendwann an einem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste: Bleibe ich in der sicheren Festanstellung oder gehe ich mit dem Internet-Geschäft, in das ich eigentlich nur selbst investiere, aufs Ganze? Ich habe dann aus dem Bauch heraus das Abenteuer gewählt – das hat mir einfach viel mehr Spaß gemacht!“
Das Jahr 2000 stand damit klar im Zeichen der Veränderung. Nicht nur, dass Ralf Hastedt sich ganz in sein Online-Geschäft kniete, er entdeckte auch eine neue Plattform, die sich auftat: Amazon. „Ich wusste erst gar nichts damit anzufangen, so wie es vielen damals auch überhaupt noch mit dem gesamten Internet ging“, blickt Ralf Hastedt zurück. „Aber: Wir haben dann dort unsere Filme zum Verkauf angeboten – und wurden so nach einiger Zeit viel, viel besser gefunden. Wir waren irgendwie auch mit die ersten Anbieter dort.“ Und das lohnte sich: Aus 30 wurden 300, aus 40 wurden 400 Bestellungen. „Das war wie ein Traum für uns, für mich – ich habe vorher immer nur Geld reingesteckt, nicht mal Gehalt war damals für uns drin, es war schon hart – aber wir haben durchgehalten und endlich passierte etwas“, erzählt Ralf Hastedt. Es sollte noch viel mehr passieren: Ein Manager von Amazon wurde auf die Händler aufmerksam, kam mit ihnen ins Gespräch – und im Anschluss kauften sie ihm kostengünstig angebotene Rückläufer-Software ab. Versuchsweise. Nachdem die erste Toure eine komplette Enttäuschung mit sich brachte – „die Sachen waren teils unbrauchbar und die, die wir online stellten, gingen für einen Euro bei Ebay weg“ –, zögerten Hastedt und Burmester beim zweiten Angebot von Amazon. Aber nur kurz.
Es ging um die 15-fache Menge, um eine ganze LKW-Ladung Software. „Ich weiß noch – du hast mich angerufen, mir davon erzählt, ich lag noch im Bett – und wir haben gesagt, wir machen das jetzt einfach! Danach wissen wir, ob sowas überhaupt funktioniert“, erinnert sich Christoph Burmester. Ralf Hastedt begrüßte wenige Tage später den überforderten LKW-Fahrer, der seine damalige „Garagenfirma“ mitten im Wohngebiet erreichen wollte. Keine Chance. Hastedt und Burmester mieteten eine freie Halle in Hemsbünde an, empfingen dort die 30 vollgestellten Paletten – und feierten Weihnachten und Ostern zugleich. „Wir haben die Folie der ersten Palette gelöst und wussten sofort: Wir kriegen schon jetzt unser ausgegebenes Geld wieder rein. Das war für uns der Wendepunkt!“ 2002 dann der erste Hallenanbau: Lagerfläche vervierfacht. Im Folgejahr noch einmal das gleiche Spiel. Später Lagerflächen in Rotenburg. Amazon als Großkunde, 20 Jahre enge Zusammenarbeit, inzwischen auf Augenhöhe mit dem Internet-Riesen. „Wir sind zusammen gewachsen“, sagt Christoph Burmester rückblickend. Europaweit Geschäftsbeziehungen und eigene Standorte, immer wieder neue Projekte auf der Agenda. Ralf Hastedt resümiert: „Wir sind heute die, die Ihnen mal eben übermorgen 13.000 Waschmaschinen abnehmen können, auch als Neuware. Und die, die Ihre Retoure-Produkte erfolgreich vermarkten, die schon lange nur den Betrieb aufhalten. Wir sind Problemlöser.“ Was Hastedt, Burmester und die Zahlen erzählen, zeichnet einen wahrhaft märchenhaften Erfolg. Dahinter steckt wahre Leidenschaft. Kampfgeist, Fleiß, Arbeit – und das Internet.