Vor zwei Jahren ritt Beke Marquard mit einer Freundin von Hiddingen zur Nordsee. Mit vier Kamelen, je ein Reit- und ein Lasttier. Wenn die beiden Damen bei Bauern abends um ein Nachtquartier für sich und ihre vier Kamele baten, war die erste Reaktion zunächst ungläubiges Erstaunen, dann aber freundliche Aufnahme. So lud der Gastgeber einmal spontan die zwei Übernachtungsgäste, Freunde und Nachbarn zu einer BBQ-Party ein. Wer in Europa ein Kamel halten möchte, kann diese nicht in Kairo oder Tanger bestellen, denn der Import von Kamelen in die EU ist gesetzlich verboten. Folglich verkaufen die Marquards die Kamele, also die Trampeltiere (zwei Höcker), die Dromedare (ein Höcker) und die Züchtung dieser beiden Kamelarten, die Tulus. Das jedoch nach frühestens einem Jahr. Beke Marquard und ihr Mann möchten schon wissen, an wen sie verkaufen und ob die Tiere in eine gute artgerechte Haltung kommen. Die beiden Unternehmer schauen sich dann z.B. Zoos oder Privathalter, selten aber Zirkusse, genau an. Der Verkaufspreis schwankt je nach Art des Kamels. So hat die Marquardsche Kamelfarm einen europaweiten guten Ruf als Zuchtstation für weiße und gescheckte Kamele. Diese erbringen beim Verkauf, zumeist ins Ausland, doppelt so viel wie einfarbig braune Tiere, abhängig von Alter und Ausbildungsstand.
Beke Marquard erzählt von ihren Reisen in den Orient. So war sie im 2. Halbjahr 2019 zweimal in Saudi-Arabien. Anfänglich habe sie es als Frau, die sich dazu noch mit Kamelen sehr wohl auskenne, bei den Scheichs nicht leicht gehabt. Inzwischen aber schätzt die Unternehmerin in diesem Land die sehr freundliche und hilfsbereite Atmosphäre. Ehemann Andreas macht natürlich auch mal Urlaub. Allerdings auf dem heimatlichen Hof. Nicht nur die Kamele, auch die vielen anderen Zwei- und Vierbeiner wollen versorgt sein. Fasane und Perlhühner laufen auf den benachbarten Fahrwegen herum und sorgen so für Verkehrsberuhigung. Auch die Pfauen büxen schon mal aus, schauen sich in Hiddingen um und kommen abends wieder zurück. Anzuschauen sind ferner: Lamas, Alpakas, Pferde, Esel, Zebras, Kängurus. Hühner, Ziegen und Schafe diverser Rassen. Natürlich auch Katzen und Hunde. Unter ihnen ein Border Collie, der, so hoffen Marquards, nachts vor Wölfen rechtzeitig warnt. Das alles auf 40 ha Agrarfläche, davon 28 ha Grünland und 12 ha für Getreide und Stroh. Die Kamele sind an europäische Klimaverhältnisse bestens angepasst; im Winter, der Haarwechsel erfolgt einmal pro Jahr, legen sie sich ein dichtes Fell zu. Andreas Marquard achtet allerdings auf deren schlanke Linie, denn Kamele, die hier im Gegensatz zur orientalischen Heimat stressfrei leben, nehmen rasch zu; dann gibt es statt Heu auch schon mal das nährstoffärmere Stroh.
Tagsüber sind die Kamele draußen auf den endlosen Weiden, abends gehen sie in die tagsüber geöffneten Ställe; dann allerdings nach Arten getrennt. Mit einer Ausnahme: Hengste werden während ihrer ca. dreimonatigen Brunftzeit (Dezember bis April) von der übrigen Herde abgesondert. Was die Zucht angeht, läuft das beim Kamel anders, als es sich der Laie so vorstellt. Erst wenn der Kamelhengst brünftig ist, reagieren die Kamelstuten. Und erst nach dem Bespringen setzt bei der Stute der Eisprung ein. Ein Fohlen wird ein Jahr gestillt und nachts von der Stute separiert, sofern diese am anderen Morgen gemolken werden soll.Das Melken funktioniert aber nur dann und die Stute gibt nur dann Milch, wenn ihr Fohlen daneben steht. Marquards sind per Webcam mit dem Stall verbunden, wenn die Geburt eines Kamelfohlens zu erwarten ist, damit sie rasch kommen können. Einen Veterinärmediziner ziehen Beke und Andreas Marquard selten dazu. Kamele, so Beke Marquard, seien robuste und wenig anfällige Tiere, die 20 bis 30 Jahre alt würden.
Die Zucht ist die kaufmännische Basis im Unternehmen „Kamelfarm“. Weitere Einnahmen durch Reiten und Verleih (z.B. bei Eurowings und bei Barbara Schöneberger) und nur ein kleiner Teil der Einnahmen kommt aus dem Verkauf von Milch und Wolle. Um die Zukunft der Kamelfarm machen sich Beke und Andreas Marquard wenig Sorgen. Stehen doch ihre Kinder Fe und Marten bereits in den Startlöchern: Marten hält Frettchen, züchtet Fasane und Hühner und hält einen Habicht namens Luise. Und schon mit zwölf Jahren hat Marten den Hof, während seine Eltern mehrere Tage in Köln waren, allein geführt. Sollte sich der Leser dieses besondere Fleckchen Erde in Hiddingen mit den vielen schönen Vierbeinern mal anschauen wollen, so ist ist eine telefonische Anmeldung (s. unter www.kamelfarm.de) erforderlich, denn Marquards unterhalten keinen Zoo, sondern verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Zucht von Kamelen.