„Big J“ (alias Jan-Markus Eckenberger) gehört zu den Geschäftsleuten, deren Geschichte nahezu filmreif klingt. Im ersten Leben erfolgreicher Produktentwickler in der Lebensmittel- industrie, zuletzt als Bezirksleiter. Freude am Job, aber immer weniger Spaß am Angestelltendasein. 2015: Ausstieg aus der Festanstellung. Die Entscheidung zur Selbstständigkeit fällt, als alle Rücklagen bereits aufgebraucht sind. „Ich hatte noch 70 Cent in der Tasche“, sagt Eckenberger, „plus sechs Monate Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit.“ Mit wenig mehr als einer Vision startete Eckenberger die Produktion seiner eigenen Gewürzlinie. Das Besondere: frei von Allergenen wie Senf, Sellerie, Schalenfrüchten, Krebstieren, Gluten und diversen anderen Zusatzstoffen sollten sie sein – und nicht nur durch Geschmack, sondern auch durch Kreativität und pfiffige Produktnamen überzeugen. Soweit die Theorie. Blieb ein klitzekleines praktisches Problem: Der abgebrannte New- comer musste Gewürz- und Verpackungslieferanten überzeugen, ihm einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Das Kunststück gelang. „Ich hatte damals viel Glück mit meinen Zulieferern“, sagt Eckenberger. „Heute profitieren sie davon. Denn ich würde nie wechseln, nur weil andere ein paar Cent billiger sind.“
Eckenbergers Plan war, mit einem Verkaufsanhänger über die Wochenmärkte zu tingeln. Bevor es so weit kam, grätschte das Schicksal dazwischen – in Form einer goldrichtigen Eingebung: Er packte all seine BBQ-Produkte in einen Karton und schickte sie an Klaus Glaetzner, besser bekannt als „Klaus grillt“, Betreiber eines florierenden Youtube-Kanals in Sachen feuriger Fleischzubereitung. „Ich bin da sehr unverschämt“, sagt Eckenberger. Bingo! Glaetzner biss an, und Eckenberger kreierte unter dem Label „Klaus grillt“ eine eigene Gewürzlinie, zusammen mit dem Brandenburger Influencer. „Als wir anfingen, dachten wir optimistisch, wir könnten vielleicht 1.000 Beutel im Jahr verkaufen. Irgendwann stellten wir fest: Wir verkauften 1.000 Stück pro Woche!“
Mit „Magic Dust“, „Frecher Feta“ oder dem grünen „H.U.L.K“ (Eckenberger: „Unsere Abkürzung für ‚Halt unwahrscheinlich lecker Klaus“. kommt der Grill-Fan auf den Geschmack – und durch die Offenlegung der Rezepte nach dem Open-source-Prinzip. „Theoretisch kann jeder die Klaus-grillt-Mischungen nachmachen. Dabei stellen die Leute aber schnell fest, wie aufwändig das ist – und kaufen doch lieber das fertige Produkt.“ Sechs Mitarbeiter beschäftigt B J inzwischen, 100 Fachhändler und Grillfachgeschäfte werden beliefert, fünf Gewürzlinien für verschiedene Zielgruppen sind auf dem Markt. Die neueste, „Röpers Hof“, soll die Hofläden-Nische abdecken. Mit unbekümmertem Schaffensdrang erfindet Eckenberger neue Produkte gerade so, wie ihm die Ideen zufliegen. 80 Prozent seiner Eingebungen kommen auf den Markt, was nicht läuft, fliegt aus dem Sortiment. So einfach ist das, wenn man handwerklich arbeitet und kleine Chargen ohne großen Lagerbestand produziert. Unumstößlich ist nur das Versprechen, dass Menschen mit Allergien ohne Reue genießen können – und sei die Kreation noch so exotisch. „Bei uns steht alles drauf, was drin ist.“
Der gebürtige Hamburger, rund 30 Mal in seinem Leben umgezogen, fühlt sich wohl im Gewerbegebiet Lehnsheide und an seinem neuen Wohnort Visselhövede. Zum Abschied gibt’s ein Souvenir: Die tödlich scharfe Chilli-Würzsauce „Black Death“ im gläsernen Totenkopf. Sehr spontan und ein kleines bisschen verrückt.
Fotos: Mark Intelmann