Eine XXL-Maßschneiderei für alles, was vor Wind und Wetter geschützt werden soll – kein ganz alltägliches Gewerbe: „Die Leute gucken immer ganz ungläubig, nach dem Motto: Das kann man lernen?“ Man kann. Villwock, gelernter Landwirt, kam über Umwege zum Ausbildungsberuf „Technischer Konfektionär“. Inzwischen ist er seit 30 Jahren in der Branche tätig und seit rund neun Jahren selbstständig. Drei Mitarbeiter hat sein Betrieb in Scheeßel, für die Konkurrenz müssten Kunden bis nach Bremen, Nienburg oder Hamburg fahren.
Etwa ein Drittel der Anfragen kommt von Privatleuten – wie von dem Besitzer des kleinen Motorboots, das gerade in der Halle steht. Eine Abdeckung soll es erhalten, etwa 40 Arbeitsstunden, schätzt der Chef, werden am Ende dafür zusammenkommen. Allein das Maßnehmen und Anpassen erfordert Geduld und gutes Schuhwerk: 60 bis 70 Mal wandert der Mitarbeiter dafür durch die Halle, vom Schnürboden zum Boot, und wieder zurück. Zunächst wird nur ein Dummy aus einer dünneren Folie angefertigt. Erst, wenn jede Naht sitzt und der Kunde keine Änderungswünsche mehr hat, kommt die eigentliche Plane zum Einsatz.
Das Gros der Projekte jedoch fällt in den Bereich Business to Business. Fahrzeugbauer, Containerdienste oder die Bundeswehr gehören zu den großen Auftraggebern. Auch in der Windkraft-Branche sind seine Dienste gefragt, erzählt der 49-Jährige. „Dabei geht es darum, die Winden wetterfest einzupacken, die bei Wartungsarbeiten eingesetzt werden.“ Eines der größten Werkstücke, die das Haus jemals verlassen hat, findet sich im Serengeti-Park Hodenhagen – das Dach für ein Kettenkarussell, 16 Meter im Durchmesser.
Flexibilität sei Trumpf in seinem Job, sagt Villwock und schmunzelt. Beispiel: Der Anruf von einer Spedition, der Fahrer habe einen kleinen Riss in der Lkw-Plane, ob er mal schnell zur Reparatur vorbeischauen könnte? Sicher, kein Problem, signalisierte der Chef. „Allerdings stellte sich heraus, dass es sich bei dem ‚kleinen Riss‘ um eine völlig zerfetzte Seite handelte. Keine Chance, das in einer halben Stunde zu flicken.“
Die Reißfähigkeit von PVC-Plane ist legendär. 20 bis 40 Jahre könnte sie theoretisch höchsten Belastungen standhalten – wenn es nicht ihren natürlichen Feind gäbe: die Sonne. Sie sorgt dafür, dass die Lebensdauer der Plane auf etwa 15 Jahre sinkt. „Die oberste Schicht des PVCs blättert irgendwann ab. Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten.“ Die Folge: Neue Arbeit für den Technischen Konfektionär.
Fotos: Mark Intelmann