Während der regulären Öffnungszeiten ist der Friseursalon Am Bremer Damm 2 kaum von einem anderen Salon zu unterscheiden. Außer der Tatsache, dass links neben dem Eingang eine Ansammlung von Instrumenten steht. An jedem ersten und dritten Montag im Monat aber werden Waschbecken verhüllt, Regale an die Seite gerollt und eine Bestuhlung wie im Club aufgebaut. Denn dann ist auf dem Hellweger Bohlenshof „Musik im Salon“-Zeit.
Nicht mehr an Türen anzuklopfen, nicht mehr weit zu reisen in Sachen Musik gepaart mit Sylke Bahrenburgs Wunsch, sich mit ihrem Hellweger Beautypark und Friseursalon zu vergrößern, war Initialzündung für die Multifunktionshalle. „Wenn wir schon den Laden vergrößern, dann muss Platz für Musik sein“, so der Anspruch von Hinni Willenbrock. Voraussetzung war eine extrem flexible Inneneinrichtung mit rollbaren Regalen, verschwindenden Waschsäulen, Lärmschutzverglasung, Parkplätzen und einer Schankkonzession. In aller Regel ist Sylke Bahrenburgs Geschäft von Montag bis Samstag geöffnet. Nur am ersten und dritten Montag im Monat da stehen die Scheren still, denn dann spielt Musik die erste Geige. Friseurhandwerk und Musikclub gehen an diesen Tagen eine wundersame Symbiose ein. Ganz pur und ungeschminkt die Live-Musik von Pop, Rock, Country, Balladen und Jazz.„Ich wollte Titel spielen, auf die ich einfach Bock habe“, so der Sänger und Gitarrist, der sich in der Musik- und Danceszene einen Namen gemacht hat. Und bei diesem Konzept könne man als Musiker mit seinem Publikum alt werden, sagt lachend Bandleader Willenbrock. Den Gästen muss und will das zeitweise 14 Mitglieder starke Bandteam nichts bieten. Aber es darf dabei sein, wenn Rebekka Holsten, Jürgen Gox, Uwe Dreyer, Björn Seel, Gerd Singer, Heinz Höltje, Henning Prüser, Hinni Willenbrock, Cord Holsten, Thomas Sackmann, Paul Stefanovic, George Mavros, Michael Just und Arnold Stechmann zusammen grooven. Allesamt Topmusiker aus Bands wie Kentucky, New Comix, Top Union und Madley Time, die jahrzehntelang über die musikalische Piste tobten. Ihr Repertoire: die Musik der Tanz-Top-40-Bands, viele Titel für die Generation Ü 50. Und die spielen sie auf Augenhöhe mit den Konzertbesuchern, denn eine Bühne gibt es bei „Musik im Salon“ nicht, das ist so gewollt. Jede Mimik der Musiker wird registriert, jeder Fehler gehört, das ist das Besondere. Der Eintrittspreis ist dabei eher symbolischer Natur, geht aber komplett für die GEMA drauf. Denn da sind sie sehr akribisch und melden Konzerte schon zwei Monate im Voraus an.
Pünktlich wie die Maurer startet das Programm um 20 Uhr in drei Runden mit zwei Pausen und insgesamt 20 bis 22 Titeln pro Abend. „Dann passt es und wir sind um 22.30 Uhr fertig“, sagt Willenbrock. Gerne „schießen“ die Musiker den Abend laut an, um ihn mit leisen Balladen ausklingen zu lassen. „Es gibt nicht nur was auf die Ohren, sondern auch etwas zum Zuhören.“ Traditioneller Anfang bildet dabei immer „time is tight“, das Ende läutet jedes Mal „Jonny Walker“ ein. Der Versuch, den letzten Song mal zu verändern, führte nur dazu, dass die Konzertbesucher nicht von ihren Stühlen aufstanden. Also Versuch misslungen und alles bleibt so wie bisher. Den absoluten Schlusspunkt des Abends bildet jedes Mal ein Absacker in großer Runde, bei dem die Musiker bei noch einmal Höhen und Tiefen des Abends Revue passieren lassen. Noch nicht genug der Spezialitäten, denn an jedem fünften Montag im Monat ist „Themenabend“, an dem die Musiker unplugged Mikrofonfixiert und auf Akkustikgitarren spielen. „Das hat wahnsinnig gut eingeschlagen.“ Waren es beim ersten Konzert acht Besucher, spielen die Musiker heute oft genug vor „ausverkauftem“ Haus. Die Gäste kommen aus Hamburg, aber auch aus Rotenburg, Bremen und Sottrum. Manche mit Wohnmobil und die Rückfahrt wird erst, wenn morgens der Salon öffnet, wieder angetreten. „Die Leute sollen sehen, wie heavy es ist, Musik zu machen“, so das Konzept der Bandmitglieder. Aus diesem Grund scheuen sie sich nicht, manchmal einen Song schon nach einer Strophe komplett abzubrechen, wenn es so gar nicht funktioniert. Das wird durchaus positiv honoriert. Ehrlich und handgemacht, so ist die Musik der Band „Musik im Salon“.
„Eier mit Senf wollten wir hier nicht haben“, das war Maßgabe der Hellweger Unternehmer. Aus diesem Grund sorgen während der La Biosthètique-Fortbildungsseminare, die 25 Mal pro Jahr hier stattfinden, Caterer für das leibliche Wohl der Teilnehmer. Während „Musik im Salon“ gibt es dagegen nur Getränke. „Am Anfang wurden wir belächelt, denn für ein Geschäft in dieser Größe und Lage ist das Konzept nicht gerade typisch“, sagt Hinni Willenbrock. Mittlerweile hat sich die musikalisch-haarige Symbiose unter Kennern einen Namen gemacht. Die klare Ansage von Hinni Willenbrock: „Entweder helfen Leute mit oder wir stampfen die Veranstaltung ein“, führte dazu, dass beim Auf- und Abbau für „Musik im Salon“ jetzt auch neben den Musikern Gäste mit anfassen, sobald der letzte Ton gespielt ist. Denn für Hinni Willenbrock läuft nicht nur der Acker voll nebenbei, auch am Wochenende hat er so manche Mucke. Mit der Unterstützung aber verwandelt sich der Hellweger Muckenraum schnell wieder in einen Friseursalon. Mittlerweile haben die Konzerte Kultstatus erreicht und es gibt bereits Geheimnisträger. „Viele erzählen es nicht mehr weiter, weil sie ihre Sitzplätze behalten wollen“, so die Erfahrung der Musiker. Aber facebook sei Dank und dank der Aufsteller an der Straße dringt die Kunde weiter ins Land. Wachsen allerdings können und wollen Sylke Bahrenburg und Hinni Willenbrock mit ihrem Konzertevent nicht mehr. „Dann ist das Urige weg.“ Und schon haben Sylke Bahrenburg und Hinni Willenbrock einen neuen Plan in der Tasche. Wenn die Maschinen, die noch in der großen Scheune wohnen, in der am Vatertag die Lederhosentragenden Musiker so richtig Gas geben, ein neues Zuhause gefunden haben, dann soll an dieser Stelle ein reiner Männersalon entstehen. Mit allem Drum und Dran.