Das Stück vom Glück

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    Rotenburg. „Wenn euch das Thema so nahegeht, macht doch euren eigenen Unverpackt-Laden auf!“ Im ersten Moment lachten Antje und Anja Doil über das, was ihnen die junge Tochter einer guten Freundin zwischen Tür und Angel vorschlug. „Ja, klar!“, erwiderten sie, mussten schmunzeln und wollten anschließend zum Alltag übergehen… 

    Ende April 2020 eröffneten die Schwestern nun ihr „Stück vom Glück“, ihren plastikfreien Laden in der Rotenburger Fußgängerzone. Es ist der erste Unverpackt-Laden im Landkreis. STARK sprach vor der Eröffnung mit den beiden Frauen über ihren Weg, auf den sie eine kleine, aber hartnäckige Idee schickte – und die sie von heute auf morgen zu Geschäftsführerinnen machte. Es duftet nach Tee. Fruchtig, würzig, gut. „Den gibt’s dann auch im Laden“, verrät Anja Doil mit einem Lächeln und schenkt schwungvoll ein, in drei pastellfarbene Porzellanbecher. „Wir testen uns seit ein paar Wochen fleißig durch, für unser Sortiment. Das macht Spaß, oder?“ Ich schlürfe und nicke. Treffpunkt des Redaktionstermins ist Anja Doils gemütliches Wohnzimmer – im Laden wird noch auf- und umgebaut, ganz im Zeichen der Eröffnung.

    Foto: Mark Intelmann

    Teespezialitäten also – und was erwartet Kunden im Laden am Neuen Markt 4 noch? „Gemüse, Obst, Nudeln, Reis, Nüsse, alle möglichen Lebensmittel, komplett unverpackt“, erklärt Anja Doil. „Zusätzlich bieten wir Drogerieartikel, von der plastikfreien Zahnbürste aus Bambus bis zum Bienenwachstuch als Frischhaltefolie-Ersatz. Wir bauen auf ein abwechslungsreiches Sortiment mit nachhaltigen Produkten. Außerdem planen wir ein kleines Café, in dem sich unsere Kunden austauschen können.“ Antje Doil genießt ebenfalls eine Tasse Tee und ergänzt die Worte ihrer Schwester: „Wir achten bei der Auswahl nicht nur auf die Nachhaltigkeit eines Produkts, sondern auch darauf, von wem es kommt. Wir möchten mit regionalen und mit fair handelnden Produzenten zusammenarbeiten. Das liegt uns sehr am Herzen.“

    Wer im „Stück vom Glück“ einkaufen möchte, bringt eigene Gefäße mit, erwirbt neue im Laden oder leiht sich spontan etwas aus. Gewogen wird einmal ohne und einmal mit Füllung – so ergeben sich die zu zahlenden Preise. „Ganz einfach“, finden Antje und Anja Doil. Sie sind überzeugt von ihrem Herzensprojekt, von ihrer Antwort auf eine Frage, die bei vielen heutzutage im Kopf kursiert: Was kann ich selbst gegen die unendliche Plastikflut da draußen tun? „Genau das hat uns letztlich motiviert, den Schritt zum eigenen Unverpackt-Laden zu wagen“, sagt Antje Doil. Ihr Blick wirkt ernster, während sie fortfährt: „Wir sparen beide seit Jahren an Plastik ein, wo wir können. Aber wir stießen immer wieder an Grenzen. Uns fehlte die Möglichkeit, hier vor Ort einzukaufen und uns fehlte auch das Gefühl, ‚genug‘ zu bewirken. Wir wollten und wollen unbedingt noch mehr zusammen in Bewegung setzen, der Umwelt zuliebe.“ Antje und Anja Doil erinnern sich nur zu gut an ihre ersten Gründungsgedanken, Ende 2018. Einmal ausgesprochen, ließ die Idee vom eigenen Laden, hier in Rotenburg, den beiden Schwestern keine Ruhe. Bei der Arbeit, zu Hause, beim Treffen im Bastelkeller – der Laden war Thema Nummer eins. Über Tage, Wochen und Monate. „Wir haben gemerkt, dass es uns nicht so einfach loslässt und haben intensiver darüber nachgedacht“, blickt Anja Doil zurück.

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    Foto: Mark Intelmann

    Trotz aller Begeisterung standen am Anfang viele Fragezeichen: Die Schwestern wogen ab, immer gemeinsam. Ließen sich mehrmals professionell beraten und fingen Gedanken aus dem privaten Umfeld auf, von Freunden und von der Familie. Sie stellten sich den möglichen Schwierigkeiten: finanzielle Unsicherheit und ein Quereinstieg (Antje Doil ist Agraringenieurin und Anja Doil Lehrerin). Jede Menge Arbeit, eine berufliche und private Herausforderung nach der anderen – ist es das alles wert? „Ja!“, entschieden Antje und Anja Doil im Mai 2019. Ihr „Warum“ gewann. „Wir haben uns die Frage gestellt, was Erfolg denn überhaupt für uns ausmacht“, erklärt Anja Doil. „Und es ist nicht das große Geld. Oder allein die Sicherheit. Es ist das Gefühl, das Richtige zu tun und dadurch jeden Tag Spaß an der Arbeit zu haben. Wir möchten uns persönlich weiterentwickeln und unser Herzblut komplett in diese Sache stecken. Als wir das endlich und endgültig entschieden hatten, hat das unglaublich viel Energie in uns freigesetzt.“

    Wie im Glücksrausch setzten die Schwestern ab diesem Moment alles daran, ihren Erfolg wahr werden zu lassen. Sie fanden eine geeignete Ladenfläche über 100 Quadratmeter, besuchten Produzenten, Lieferanten und andere Unverpackt-Läden. Sie lernten dazu, kümmerten sich um Businessplan, Personalangelegenheiten und Marketing. „Social Media war für uns zum Beispiel vorher ganz weit weg. Jetzt sehen wir aber die große Chance, die wir mit unseren Kanälen gewinnen: Wir haben bei Facebook und Instagram schon jetzt einen tollen Austausch, Inspiration und ein wirksames Werkzeug, um auf uns aufmerksam zu machen“, erzählt Anja Doil.

    „Und das, was gerade online passiert und uns so glücklich macht, dieses Vernetzen, das passiert auch offline um uns herum, schon seit Monaten“, fügt Antje Doil hinzu. Sie strahlt und ihre Worte überschlagen sich. „Es ist unfassbar, was für tolle Reaktionen wir von allen Seiten auf unsere Unverpackt-Pläne bekommen. Es fühlt sich an wie ein großes Miteinander. Ganz viele Menschen wünschen uns Glück und bedanken sich, andere haben Vorschläge, Ideen und wollen sich mit einbringen – wir sind sehr gerührt und dankbar.“ Anja Doil nickt und bringt noch große Worte wie „Mitgliedskonzept für Kunden“, „Workshops“, „Testaktionen“ ins Gespräch ein – Zukunftsmusik. Antje Doil muss lachen, ihre Schwester steigt mit ein. „In manchen Momenten können wir es selbst kaum fassen, was wir da Schönes, aber auch Verrücktes in Gang gesetzt haben und wie schnell es jetzt mit einem Mal geht. Wir haben viel um die Ohren und alles ist neu für uns.“ Trotzdem wissen sie beide ganz genau, was sie tun – und vor allem, warum.

    Fotos: Mark Intelmann

    Christine Duensing
    Christine Duensing
    Christine Duensing schrieb von Juni 2020 bis August 2021 für die STARK.
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