Seit 1990 gibt es das Gelände nahe Stockhausens Reitanlage schon, auf dem auch noch einige feste Holzgebäude aus den Ursprungsjahren des Areals stehen, das ursprünglich als klassischer Campingplatz gedacht war. Drumherum jede Menge Grün, ein See, die Stille der Natur und die Vissel-Stadt in fast unmittelbarer Nachbarschaft. „Das mögen viele Leute sehr gern. Die Nachfrage nach den 250 bis 350 Quadratmeter großen Grundstücken ist gut. Es ist auch eine gute Investition“, sagt der Eigentümer.
Je nach individuellem Wunsch schließt er mit den Interessenten entsprechende Pachtverträge mit unterschiedlich langen Laufzeiten ab. Wer die Pachtdauer vielleicht irgendwann nicht mehr verlängern möchte, habe dann problemlos die Möglichkeit, sein rollendes Tiny House auch auf einem regulären Baugrundstück zu platzieren, denn das Fahrgestell bleibt die ganze Zeit über fest montiert.
Das Ganze war ein Zufall und dem Internet zu verdanken, erinnert sich Kai Stockhausen an die Anfänge der neuen Nutzung. Seinerzeit hatte er gelesen, dass der Unternehmer Peter L. Pedersen mit seiner Firma Rolling Tiny Houses Stellflächen für die Häuser aus der Produktion seines Unternehmens sucht. Nach einer ersten Kontaktaufnahme und der Klärung grundsätzlicher Aspekte war klar, dass es eine Kooperation geben würde. Heute stehen rund 70 kleine Häuser auf dem idyllisch gelegenen Areal in Stadtnähe. Tendenz zunehmend. Neben einigen Gebäuden aus der Anfangszeit des Sondergebiets stehen auf dem Grundstück mittlerweile auch zahlreiche neuere Gebäude, die eines gemeinsam haben: einen stählernen Unterbaurahmen mit Rädern.
Neben der vollen Nutzbarkeit der komplett baugenehmigungsfähigen Häuser mit Statik und sämtlichen Bauunterlagen steht auf dem Platz auch die notwendige Infrastruktur zur Verfügung: Gas, Wasser, Abwasserkanal und Telekommunikation. Auch die Leerrohre für Glasfaserleitungen liegen bereits im Boden. Kai Stockhausen: „Die Stadt steht voll hinter diesem Projekt. Das ist sehr gut.“ Auch vor dem Hintergrund, dass regulärer Baugrund in Deutschland mittlerweile in vielerlei Hinsicht zu einem echten Problem geworden ist.
Zu wenig Flächen und lange Listen mit Interessenten sind in vielen Städten und Gemeinden eher die Regel als die Ausnahme. Alternative Möglichkeiten werden in Deutschland, wo zu diesem Thema lange Zeit eine recht konservative Haltung vorherrschte, inzwischen offenbar anders gesehen als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Angesichts einer Vielzahl an Pluspunkten bei kleinen, transportablen Häusern und dem verhältnismäßig gut zu überblickenden Aufwand seien auch schon Leute aus Bayern hoch in den Norden gezogen.
Für Peter L. Pedersen hat seine ganz persönliche Tiny-House-Erfolgsgeschichte mit der Wohnungssuche seines Sohnes begonnen, der als Student eine bezahlbare Wohnung suchte, was in in vielen deutschen Uni-Städten leider im Prinzip ein Ding der Unmöglichkeit ist. Es folgten schließlich auch Blicke auf US-amerikanische Internetseiten und schließlich war für den studierten Volkswirt die grobe Richtung klar. „Das war tatsächlich der Anlass für mich, mir einmal grundsätzliche Gedanken über ganz andere Lösungen zu machen. Geführt haben diese Überlegungen schließlich zu einem Hybriden. Einer Kombination aus Wohngebäude und Fahrzeug“, erinnert sich der Kaufmann noch gut.
Eine besondere Herausforderung wartete auf den Firmenchef und seine Mitarbeiter nicht nur in Form der rein technischen Umsetzung des Vorhabens, sondern auch darin, zwei komplexe deutsche Rechtsgebiete miteinander zu vereinbaren: Baurecht und Straßenverkehrsrecht. Auch in diesem Zusammenhang fällt bei Pedersens Schilderung hin und wieder mal der Begriff der Schnappatmung bei den Projekt-Verantwortlichen. Sicher nicht ohne Grund.
Dass das erste Produkt nach längerer Entwicklung, Planung und Fertigung am Ende in der Summe zur wohl teuersten Studentenbude aller Zeiten wurde, ahnte er am Anfang dieser Idee wahrscheinlich selbst nicht. Irgendwann war der Punkt gekommen, als nach etwa zwei Jahren das erste Haus fertig war. In dieser Zeit war das entsprechende Konto, das dem Vorhaben zugeordnet war, um fast eine Million Euro geschrumpft. Im Jahre 2017 war es schließlich soweit, dass erste Schritte in Richtung professioneller Vermarktung gegangen wurden.
Als eine wichtige Zielgruppe sieht Pedersen Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren. Vielfach schauten Vertreter dieser Gruppe heute etwas weiter in die Zukunft, als dies bis hierher vielleicht der Fall gewesen sei. Oft sei ein großes Haus vorhanden, ein zu großes. Das Grundstück vielleicht auch. Kinder gehen ihre eigenen Wege und es taucht die Frage auf, wie das Leben weitergehen soll. Hinzu kommt, dass sich Wohnimmobilien derzeit sehr gut verkaufen lassen.
Und so kommen viele Menschen tatsächlich auf die Idee, sich Tiny Houses einmal näher anzuschauen. Bei der Frage des möglichen Standortes ist Pedersen der Ansicht, dass derartige Gebäude nicht „unbedingt was für die Großstadt“ sind. Die Relation von Grundstückspreis und Kosten für das Haus müsste passen. Auch hierbei sei eine Kleinstadt wie Visselhövede ein Glücksfall. Neben einer Vielzahl technischer und konstruktioneller Details, denen sich seine Mitarbeiter in mehrjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit gewidmet haben, sind für Peter Pedersen auch noch einige andere zentrale Aspekte wichtig. Energie-Effizienz ist einer davon. Mit unterschiedlichen Wandstärken von zehn bis 23 Zentimetern würden unter anderem die hohen Anforderungen an Wohngebäude mit KfW-55-Standard erreicht.
Erfreulich für Pedersen und sein Team: Die Bundesregierung hat kürzlich das „Effizienzhaus-55“ als Standard für Neubauten eingeführt und eine entsprechende Anpassung des Energiewirtschaftsrechts beschlossen. Die Regelung tritt bereits zum Januar kommenden Jahres in Kraft. Einen weiteren stellt die Erfüllung sämtlicher baurechtlicher Anforderungen dar, die in Deutschland nicht immer so ganz einfach zu realisieren sei. Gebäude aus der Fertigung von Rolling Tiny Houses lassen sich auch auf anderen Grundstücken platzieren, wenn die baurechtlichen Gegebenheiten vor Ort passen.
Fotos: Mark Intelmann