Missverständnisse zwischenmenschlicher Natur gab es schon immer, wird es immer geben, auch wenn viele Autoren, Philosophen und Komponisten das Thema seit Jahrhunderten von allen Seiten bearbeiten. Laut Duden handelt es sich bei Missverständnissen um eine falsche Auslegung, Fehldeutung, Fehleinschätzung, Fehlinterpretation, Irrtum, Missdeutung und Verkennung. Und da zeigt sich schon das Problem. Denn so wortreich die Erklärung des Begriffs, so subtil und facettenreich die Entstehung dieses Zustands. „Vorurteile und Bilder hat jeder, man muss nur bereit sein, zu reflektieren und die andere Seite anzuhören“, sagt Dunja Sabra dazu.
Sie habe ihr ganzes Leben versucht zu vermitteln, sagt die 49-jährige Tochter eines Ägypters und einer Österreicherin. Geboren in München verbrachte sie ihre Kindheit in Wien, ihre Jugend und Studienzeit in Ägypten, promovierte und forschte am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, lehrte, forschte und promovierte als Biologin in Alexandria, arbeitete an der deutschen Botschaft in Saudi-Arabien bis sie 2009 in Buxtehude die Tätigkeit als freiberufliche Fachdolmetscherin und Übersetzerin im technisch-wissenschaftlichen Bereich aufnahm, im Auftrag der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) arabische Delegationen bei wissenschaftlich orientierten Fortbildungsangeboten in Europa begleitete und seit 2010 als Referentin für interkulturelle Kommunikation und Kompetenz und interkulturelle Trainerin tätig ist. „Das war mutig“, stellt die Kopftuch-Frau fest und meint damit die an sie adressierte Einladung des Mittelstandsforums Scheeßel. Kopftuch-Tussi war der eigentliche Begriff, den Dunja Sabra im Gespräch verwendete, um das Befremden, das sie nur allzu gut von ihrem Gegenüber kennt, klar auf den Punkt zu bringen. Klar auf den Punkt bringen, benennen, das sind die Methoden, die sie in der Vermittlung zwischen arabischer und deutscher Kultur immer wieder verwendet. Das von der Sparkasse Scheeßel und dem Autohaus Holst initiierte Mittelstandsforum machte sich ihren bunten Strauß aus Kompetenzen, persönlichen Erfahrungen, analytischem Denken und Menschenliebe zunutze. Vor mehreren hundert Unternehmern referierte die „Mehrheimische“, ein von Dunja Sabra geprägter und favorisierter Begriff, zum Thema „Kulturelle Missverständnisse und Wege zur Integration“. Immer verknüpft Dr.rer.nat. Dunja Sabra in ihren Vorträgen trockene akademische Fakten mit Anekdoten aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz, auch weil es bunter ist, aber in erster Linie weil es eindrücklicher und nachhaltiger ist.
Und das unterscheidet sie. Allein ihre Vita würde Dunja Sabra für die Fertigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturkreisen umzugehen, prädestinieren. Als Wanderin zwischen den Welten und Kulturen war für sie vieles schon in der Kindheit anders und doch normal. „Ich war so naiv zu glauben“, sagt sie, „dass viele Menschen dieses Wissen über interkulturelles Denken und Handeln in sich tragen.“ Erst später ging ihr das Licht auf, dass viele nicht nicht wollen, sondern einfach nicht können. Das hat sie versöhnt und Positives bewirkt. Das Ergebnis ist ihr Bemühen als interkulturelle Trainerin, Missverständnisse zwischen den Kulturen auszuräumen und für Verständnis auf allen Ebenen und Seiten zu werben. Dunja Sabras Verständnis von Mensch und Menschlichkeit gepaart mit ihrer optimistischen Grundhaltung ist der Motor, der sie antreibt. Mit der Willkommenskultur aber hat sie es nicht so. Die Buxtehuderin zieht „Wir-Kultur“ als einen mit Leben gefülltem Begriff deutlich vor. Das gilt auch für Neuankömmling statt Flüchtling und mehrheimisch statt „bio-deutsch“. Denn mir Kategorisierung und Pauschalisierung tut sie sich echt schwer. Das Kopftuch habe für sie, die es erst seit ihrem 23. Lebensjahr trägt, mit Identität und Religion zu tun. Aber nur 0,7 Prozent der Gesamtbevölkerung trage Kopftuch. Also, so die Kopftuchträgerin Sabra, wer habe schon Angst vor 0,7 Prozent? Für sie gehöre das Kopftuch zu ihrem Wertekanon vergleichbar mit der Befolgung der Gebote dazu. So what? Es sei ein spiritueller Entwicklungsschritt. „Zu verdecken, was hübsch macht, war kein leichter Schritt“, berichtete sie über ihren eigenen spirituellen Werdegang. Wichtiger Grund für sie war der Wunsch, optisch nur als Mensch statt als Frau wahrgenommen zu werden. Die automatische Verknüpfung des Tragens eines Kopftuchs mit den den Muslimen übergestülpten Begriffen „fundamentalistisch und rückwärtsgewandt“ empfindet Dunja Sabra als belastend.