Harrier und die Herbstjagd in Bötersen

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    Bötersen. Dass wir, die Kavalkade trock- enen Fußes und auch sonstwie fröhlich und unbeschadet begleiten konnten, verdankten wir der modernen, allradbestückten Automobilität. Und auch die rund 200 Schaulustigen, die auf mehreren luftbereiften großen Wagen hinter Traktorenantrieb auf Bänken saßen und mit strahlenden Gesichtern die eifrigen Reiter aus gebotener Entfernung an fixierten Punkten verfolgten, erlebten einen unterhaltsamen Nachmittag in Feld und Wald. An den Füßen trocken, in den Kehlen vielleicht wärmend wohltuend. Schummrig, wenngleich nicht weniger beherzt, realisierten hingegen die Protagonisten auf ihren Pferden den Ausflug in die landschaftlichen Gefilde rings um Bötersen, denn, gemessen an der Bodenbeschaffenheit war dieses sportliche Unterfangen beileibe kein Spazierritt. So eine herbstliche Jagd kann zwar lustig sein, aber wenn die wetterbedingten Umstände mit Regen und ergo Dauernässe Wege, Wiesen und Felder in Matsch- und Rutschpartien verwandeln, dann ist es mit dieser schönen, weil beschwingten Herrlichkeit schnell vorbei. Dass der Reitverein Sottrum dennoch seine schon traditionelle Herbstjagd Anfang Oktober nicht gänzlich den Witterungseinflüssen opferte, bewies Umsicht und Einfühlungsvermögen der führenden Köpfe des Clubs. Vereinschef Friedel Lossau und Streckenleiter Stefan Krause hatten dann auch vernünftigerweise vorgebaut. Statt die einzige im gesamten Landkreis Rotenburg noch existierende Reiterjagd gänzlich vom Tableau zu streichen, modifizierten sie den Streckenverlauf dergestalt, dass nur die geeignetsten Geländeteile Bestandteil der Hatz über die Hindernisse blieben. Und: Sie schickten tags zuvor Springreiter Bernd Rubarth auf die Strecke zum Test. „Ich denke,“ resümierte später Jagdchef Lossau beim Halali, „dass wir das pferdegerecht hinbekommen haben“. 

    Foto: Mark Intelmann

    Keine Bimmelbahn. Denn wenn auch drei oder vier junge Aktive mit ihren Ponys vor einer tiefen Sandabbauschlucht hinter Jeerhof gewissermaßen den Dienst quittierten, so kam wenigstens niemand der rund 20 Unentwegten zu nennenswertem Schaden. Analog den Pferden , die heil über die Piste galoppierten, die aber, sozusagen regelrecht gezogen von der tempofixierten Hundemeute, nicht eben wie eine Bimmelbahn ihre Parforce gestalteten. Insbesondere nicht jene Reiter, die im sogenannten ersten Feld hinter der Equipage agierten. Da war mitunter, dort, wo ein freies Feld mit festerem Boden sich auftrat, schon Musik in den Beinen der Vierbeiner. Für die reichlich kläffenden Hunde aus Böhme schien zudem alles ein Kinderspiel zu sein. Die Nasen im richtigen Wind der beiden weit vorauseilenden Schleppenleger und stets am Boden suchend, traten sie förmlich auf ihr selbst zu bestimmendes Gaspedal und nahmen die 12 Kilometer wie selbstverständlich, wie eine Attacke in bester Trainingslaune wahr. Thorsten Mönchmeyer hatte die 20 schwarz und weiß befleckten sowie braunen „Raketen“ wieder einmal nach Bötersen chauffiert, wenngleich er tags zuvor noch im 450 Kilometer entfernten Luckau in der Lausitz mit seiner jagenden Truppe „auf die Pirsch“ gegangen war. Von August bis in den Dezember hinein sind 35 dieser Feld-Wald und Wiesenmanöver für ihn und seine Harrier gang und gäbe. Zugleich sein Hobby. Er geht darin, das lässt er im Umgang mit seinen Hunden erkennen, emotional förmlich auf. Er umgarnt die Hunde und sie wiederum hören – beinahe alle – prompt auf seine Kommandos.

    Foto: Mark Intelmann

    Vier Liter Schleppe. Mit Pferden ist er ohnehin – schon seines Berufes wegen – auf du und du. Er fungiert als Hufschmied. Als Chef der Hundemeute ist er zugleich der Master der Jagd und reitet, hinter seinen Hunden, vorneweg. Beim neuerlichen Einsatz des RV Sottrum sattelte Mönchmeyer eine kleinere braune Stute mit großen Augen. Sie stammt aus Irland, wie auch viele seiner Hunde, ist sechs Jahre jung und erst zum dritten Mal dabei. Der Reiter: „Ich habe sie jetzt sechs Wochen. Sie ist gut dabei.“ So wie seine Harrier, die lange Beine bei einer Schulterhöhe von 50 Zentimeter haben und daher schnell auf diesen sind. Harrier, erklärt Thorsten Mönchmeyer, seien die „älteste Laufhunderasse“ hierzulande, und er ist einer der ganz wenigen Züchter dieser Population in Deutschland, die ihren Ursprung vornehmlich in Irland, aber auch in England hat. Mit drei Hündinnen züchtet er in Böhme selbst („verkauft wird kein Welpe“), ansonsten blickt er „über den Tellerrand“ und tauscht zuweilen in Holland einen eigenen Hund gegen einen anderen ein. „Wir züchten“, ist seine Devise, „was wir brauchen.“ 40 Hunde hält er insgesamt. Wenn die Jagdhörner erklingen, hat er vier Begleiter. Einer legt die Schleppe, die drei anderen beäugen die Hunde. Apro- pos Schleppe: Pro Jagd benötigt der Hundeführer vier Liter der flüssigen Substanz, die lediglich auf in Wasser eingelegtem Pansen besteht. Die Hunde sind gierig nach diesen tierischen Innereien.

    Foto: Mark Intelmann

    Zickige Hündinnen. Es gab Zeiten, da ließ Thorsten Mönchmeyer seine „Sportler“ hungrig an den Start gehen, da war Fressen zuvor passé. „Besser, schneller sind sie damals aber auch nicht gerannt“, ruderte er mit seiner einstigen Strategie zurück. Heute werden sie einmal täglich satt gefüttert. Mönchmeyer: „Das ist doch eine markante Leistung, wenn sie da am Tag zwanzig Kilometer und mehr laufen müssen.“ Die „Männer“ sind ihm dabei lieber, wenngleich die Hündinnen sich als zäher erweisen. „Sie sind aber zickig, und das ist dann oft nicht so leicht, sie zu führen.“ Benötigt er eine neue Hündin für die Zucht, reist er nach Irland, schaut sich auf der grünen Insel 200 bis 300 Exemplare an. „Die Auswahl ist groß und daher gut. Da drüben ist alles sehr professionell, was die Jagd und die Hunde angeht“, berichtet Thorsten Mönchmeyer. Auf dem großen Platz unter reichlich Eichen mitten in Bötersen, dem Zürns Hoff, ertönte später das Halali. Die Hunde tanzten förmlich vor Aufregung. Ihre Bescherung nahte. Riesige Pansen-Stücke lagen auf einem großen Knäuel zusammen. Thorsten Mönchmeyer und seine Mitstreiter hielten die Hunde mit allerlei Kommandos und dem Zeigen der Peitschen im Zaun. Hatten die Jagdhornbläser aber ihr Latein erledigt, war die Meute nicht mehr zu halten. Das große Fressen mundete hörbar und das Schmatzen und Streiten um die dicksten Brocken amüsierte die Besucher. „Der Besuch bei Freunden“, wie Thorsten Mönchmeyer auch diese Visite bei Sottrums Reitern umschrieb, nahm für alle Beteiligten ein schmackhaftes Ende: draußen gab’s Stinkendes, drinnen Erbsensuppe Marke deftig!

    Hans Richelshagen
    Hans Richelshagen
    Artikel von Hans Richelshagen erschienen von 2017 bis 2018 in der STARK.
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