Als ehemals selbstständiger Heizungsbau-Meister habe er seit 2004 nach Eintritt in die Frührente zunächst viel Zeit für sein erstes Hobby, das Motorradfahren, gehabt. Die ganze Welt hatte er zuvor bereits während seiner knapp elfjährigen Zeit als Motorenwärter auf großer Fahrt auf allen sieben Weltmeeren bereist, mit seiner KTM ging’s später kreuz und quer durch Europa und sogar bis in die Wüstenregionen Marokkos. Regelmäßiger Besucher von Schrottplätzen sei er schon immer gewesen, erinnert sich Kanig, zu seiner aktiven Berufszeit allerdings meist noch, um alte Heizkessel und Sanitäranlagen seiner Kunden zu entsorgen. Nach dem ersten Fund und der Erkenntnis, dass er solche alten Wasserausläufe „unheimlich schön“ fand, hatte ihn dann der Sammelbazillus erwischt.
Aus seinem ersten Wasserhahn sind in den vergangenen sieben Jahren sage und schreibe 1300 geworden. Wobei 1300 Wasserhähne – so überschlägt er mal schnell –, das sind eigentlich rund 300 Wasserhähne und circa 1000 Wasserauslauf-ventile. Wasserhähne haben in der Regel einen 90-Grad-Hebel und ein eingebautes Hahnküken zur Regulierung des Durchlaufs, während Auslaufventile die Wassermenge über eine Spindel regulieren, erläutert der Fachmann. In der ehemaligen Dorfschule im Scheeßeler Ortsteil Bartelsdorf, wo Joachim Kanig seit 1980 zusammen mit seinem Bruder und seiner Schwester lebt, hat der Junggeselle seinen eigenen Lebensrhythmus gefunden. Viermal die Woche streift er über ausgesuchte Schrottplätze in der Region, kauft die für ihn interessanten Altmetallstücke aus Kupfer oder Messing für zuletzt auch durch den Ukrainekrieg etwas angezogenen Kilopreisen zwischen 3,50 und acht Euro – und ist mittlerweile auf den Altstoffsammelplätzen ein gern gesehener Gast, für den die Schrotthändler auch schon mal besondere Stücke zur Seite legen. Zu Hause verschafft er sich dann mittels antiquarischer Markenkataloge verschiedener Armaturenhersteller vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik sowie anhand zweier Patentlisten – DRP über Deutsche Reichspatente sowie DRGM über Deutsche Reichsgebrauchsmuster – ein genaueres Bild über seine Fundstücke. Bücher und Listen nutzt er nur auf Papier, denn so wie Kanig seit rund sieben Jahren so gut wie gar kein Fernsehen mehr schaut, sowenig ist er mit der digitalen Welt vernetzt. Handy oder Internet? Fehlanzeige: „Das brauche ich nicht“, sagt Kanig, und wenn er doch mal etwas nachsehen möchte, verschaffen ihm dann eben mal Freunde Zugang zum World Wide Web. Kanig lebt mit sich und seinem Hobby gern und ganz bewusst in einer analogen Welt und beschreibt sich vielleicht auch deshalb als Eigenbrödler.
Auch dass seine Eigenkonstruktion bewusst nicht ans Wassernetz angeschlossen und damit eigentlich völlig funktionslos ist, stört Kanig dabei keineswegs. Die Frage nach Sinn und Zweck seiner Sammlung scheint sich ihm eh nicht zu stellen. Und auch die, ob er ein bestimmtes Ziel anstrebe, etwa 2000 oder 5000 Wasserhähne zu besitzen, kommt in seinen Überlegungen nicht vor. Alles, was für ihn zählt, sind schöne und alte Wasserhähne. Dabei nimmt er manchmal auch solche mit, von denen er genau weiß, dass er sie zu Hause schon hat. „Dann tausche ich gute gegen bessere aus“, freut er sich über solche Fundstücke.
Die Sammlung, das ist sein ganz persönliches Ding. Die zeigt er vielleicht mal Freunden und Bekannten, direkt an die große Öffentlichkeit drängte es ihn bisher allerdings nicht. Er behält seine Schätze lieber für sich, weshalb es auch eher selten vorkommt, dass er Freunden, die eine moderne, aber eher langweilige Mischbatterie gegen zwei alte Warm-/Kaltwasser-auslaufventile austauschen möchten, eines seiner Sammlerstücke überlässt. So wächst und wächst sein Schatz praktisch Woche für Woche, weshalb er mit seiner metallenen Eigenkonstruktion auch langsam an die Grenzen seines ehemaligen, 20 Quadratmeter großen Büros stößt, das er dafür extra vor ein paar Jahren leergeräumt hatte.
Mit ein bisschen Genugtuung erfülle ihn, dass ihm selbst seine Geschwister, die ihn anfänglich ob seiner ebenso ungewöhnlichen wie anscheinend unnützen Sammelleidenschaft belächelten, mittlerweile Respekt zollen. „Wichtig ist doch, dass man sich wohlfühlt mit dem, was man macht“, stellt Kanig zufrieden fest, um dann fast schon nebenbei bei der Sinnsuche doch noch fündig zu werden. „Im Grunde rette ich das Metall ja vor dem Schmelzofen – sonst würden daraus ja vielleicht Patronen geschmolzen.“
Fotos: Mark Intelmann