Jugend-Fussball in Rotenburg

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    Rotenburg. Es ist kalt an diesem Novemberabend auf dem Sportplatzgelände in der Ahe. Der steife Nordostwind ist nicht sonderlich freundlich zu den wenigen, sich zuweilen schüttelnden Schaulustigen, die da auf einem Rasengeviert neben der Arena jugendliche Fußballkost konsumieren. Zumeist sind es Eltern, die ihrem Nachwuchs – unter sechzehn Jahren – auf die Füße schauen. Mitten unter ihnen steht ein Mann, seine Arme vor der Brust verschränkt, stumm wie ein Fisch und beinahe regungslos, der seiner beklagenswerten Heimmannschaft bei deren vergeblichem Anrennen auf das gegnerische Gehäuse mit stoischem Blick begegnet. Auch er registriert: Heute läuft es nicht! Der Mann mit dem kurzen Haarschnitt in grau lässt sich nichts anmerken von den schon quälenden Aktionen der jungen Truppe, den Kontrahenten von der Unterweser den Schneid abzukaufen. Insbesondere vorne, da, wo die Musik spielen muss, sind die falschen Töne gang und gäbe, wenngleich der Dirigent an der Seitenlinie seinem Orchester lautstark die Partitur einflößt. Es hilft nicht, die Partie geht verloren. Dem Mann, der zumindest vordergründig ungerührt die Rasenschlappe quittiert und kurz vor dem Abpfiff das windige Terrain verlassen hatte, mag es gleich mehrfach gewurmt haben, dass die 15-jährigen Kicker des Jugendförderverein Rotenburg (JFV) dieses blamable Ergebnis herbeiführen: Zum einen ist sein Sohn Niklas Trainer dieses, an diesem schummrigen Abend, zu unchristlicher Zeit, kläglich agierenden Ensembles, und zum anderen ist er Chef aller fußballerischen Aktivitäten in der Kreisstadt, was den Nachwuchs betrifft: Michael Niestädt inspiriert und delegiert seit Ende April diesen Jahres den JFV Rotenburg. Er ist mithin Vorsitzender eines 2014 zusammengebauten Konstrukts, das bis dato auf den beiden konkurrierenden Grundfesten, Rotenburger Sportverein und der Fortuna ´83, basierte.  

    Eine sinngebende, weil effektive neue sportliche Entwicklung in der Kreisstadt feierte damals ihre Geburt, vornehmlich auch deshalb, weil ihr Initiator, Ralf Hastedt, folgerichtig erkannte, dass vornehmlich beim großen Partner RSV eine förderlich wünschenswerte Gestaltung der Trainingsaktivitäten der Jugendlichen nicht mehr gegeben war. Synergien schaffende Werte im Blick, fabrizierte Hastedt im Einvernehmen mit beflissenen Fortuna-Aktivisten eine neue nachhaltige Einheit: Jugendfußball in Rotenburg auf dem Vormarsch! Der JFV als Bindeglied sportlicher Prosperität. Doch so zielorientiert Hastedt & Co. ihr liebgewonnenes Kind auch aus der Taufe hoben, so wenig konsequent, dafür aber beschleunigend, verließen der strategische Held und sein Vize Michael Helwig das mit breiten Flügeln ausstaffierte Gefährt sogleich auch wieder. Als die Konkurrenz aus Heeslingen, die sogenannte AOH (Ahlerstedt-Ottensen-Heeslingen), deren Söhne Matthis und Louis in die eigenen Fänge lockte, zogen auch die Väter in Rotenburg im Hauruck den Schlussstrich. Im Fußball ist das prägend: Erfolg macht hungrig! Etat: nur 60.000 Euro Zumindest gewinnt man beim neuen Spiritus Rector des JFV nicht den Eindruck, er wolle alles auf einmal und das möglichst bereits gestern.

    Foto: Mark Intelmann

    Michael Niestädt ist lange genug direkt oder indirekt mit dem Fußball verbandelt als dass er nicht genau wüßte, wie die Uhren nun mal in diesem beweglichen und bewegenden Genre ticken. „Dieses neue Amt braucht Phantasie und Stehvermögen“, betont er eher nüchtern, als dass mit ihm sogleich die Pferde durchgehen. Denn dass die Kicker-Welt in Rotenburg nicht vollends wohlmeinende Glücksgefühle vermittelt, ist ihm im Gespräch allenthalben anzumerken. Das liebe Geld, was auch sonst, sitzt dem neuen Fußball-Boss vornehmlich auf unangenehme Art und Weise im Nacken. Geld, was die JFV-Kasse nicht hergibt. Der 57-jährige: „Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir mehr Geld benötigen“. 20 Mannschaften sollen schließlich funktionieren im Sinne von wirkungsvoller Förderung und spielerischer Effizienz. 340 Jugendliche wollen und sollen profitieren von einer sportlichen Idee, deren Wirksamkeit sich für den neuen „Kapitän“ offenbar noch in dürftigen Ausmaßen zeigt. Da hängt der Chef ganz schön in der Klemme. Hier die leidigen Finanzen, dort die mangelnde Manpower. „Unser oberstes Ziel muss es sein, die Leistungsträger in den jeweiligen Mannschaften zu halten“, sagt Niestädt und schaut mit skeptischem Blick hinüber nach Heeslingen, wo sein AOH-Pendant Schult auf 150.000 Euro und mehr an Etat die Akzente seiner Arbeit pointierter gestalten kann. JFV-Macher Niestädt muss sich hingegen mit kargen 60.000 Euro nach der Decke strecken. Diesen Topf füllen die beiden Trägervereine, RSV und Fortuna, zu gleichen Teilen, wobei die Mitgliedsbeiträge der jugendlichen Aktivitäten vollends in das JFV-Kalkül einfließen. Und Zuschüsse und Spenden – wie schön für die Balltreter, wenn solche Zugaben nicht als Träume verharren. Ideen, Strategien und Perspektiven hat Michael Niestädt reichlich parat. Vorerst im Kopf, auf dem Papier. Eine, seine Idee: Handwerksbetriebe ringen hartnäckig um Nachwuchs. Den können sie haben. Via Bandenwerbung auf dem Fußball-Terrain. „Junge Leute werden doch reichlich gesucht. Und hier bei uns laufen genug junge Menschen herum, die nach der Schulausbildung eine berufliche Plattform betreten möchten“, schildert der JFV-Boss seine Initiative, die bereits angelaufen ist. Macht natürlich Sinn.

    Neue Einnahmequellen kann der JFV derzeit nicht genug haben, soll der Leistungsstandard der jeweiligen Mannschaften aufrechterhalten werden. Und das ist schwer genug. „In unserem Jahrgang hat zuletzt in jedem Halbjahr ein Leistungsträger den Verein verlassen“, skizziert Niklas Niestädt die prekäre Lage. Erforderlich sind mithin ausreichend fähige Trainer. Doch da beißt sich die berühmte Maus wieder in den Schwanz. Ausbildung kostet was. Und wer stellt sich als Trainierender schon für etwa 30 Stunden im Monat für die Jugendförderung bei Wind und Wetter zur Verfügung, kassiert für seine Betreuer-Dienste mit pädagogischem Input aber lächerliche 200 Euro und handelt sich bei seiner zeitaufwendigen Nebenbeschäftigung zuweilen auch noch Ärger und Verdruss ein? Vereinschef Niestädt weiß die Problematik einzuschätzen. „Wir haben gar keine andere Wahl“, betont er fordernd, „als den Eltern und Jugendlichen zu demonstrieren, dass die Jungs bei uns im Verein perspektivisch gut gefördert werden“. Allerdings liegen Anspruch und Wirklichkeit innerhalb des Vereins nicht unbedingt auf einer Ebene. Was nützt es den Trainern der Teams, wenn sie als höchsten Wertmesser den Sprung in die Landesliga avisieren, zugleich aber traurigerweise konstatieren müssen, dass ihnen bessere Spieler weglaufen. „Na ja, das müssen wir eben ausschließen“. Nicht zuletzt auch deshalb ist Michael Niestädt derzeit auch auf der Suche nach einem „besonderen“ Trainer, einem sogenannten Externen, der speziell talentierte Spieler aus den jeweiligen Teams auf weitreichendere Sprünge verhelfen und zugleich den ambitionierten Trainern des JFV neue, zusätzliche Erkenntnisse vermitteln soll. Trainer-Salär: lächerlich Längst auf den Weg gebracht hat der Vereinsvorsitzende eine Aktion mit motivierender Wirkung. Spieler der ersten und zweiten Herrenmannschaft des RSV sollen und wollen sich im Training der Jugendlichen nachhaltig engagieren und ihr spielerisches Know-how weitergeben. Von dieser Art Manpower verspricht sich Ideenmensch Niestädt eine „wertvolle Initialzündung“ für die jeweiligen Teams. „Das sollte für die Jungs doch motivierend wirken“, hebt Niestädt hervor, der sich zudem wünscht, dass die Trainer Ebersbach und Drewes (Senioren) mehr Kontakt zu den Jugendteams suchen. Fußball ist nicht sein Leben, ein emotionales Feuerwerk, sondern wohl mehr ein Stück Pflichterfüllung, verbunden mit traditioneller Sichtweise, schließlich ist der Rotenburger auf dem Rasen in der Ahe über fast ein Jahrzehnt hinter dem Leder her gerannt, trainierte später seine eigenen Jungs, Janis und Niklas, war beruflich im Landkreis und Stadtverwaltung engagiert, bevor er für acht Jahre in Fintel als Bürgermeister fungierte. Dennoch: Das Atmosphärische rund um seinen neuen Wirkungskreis zwickt den Diplom-Verwaltungswirt ein ums andere Mal. Da hält er nicht mit hinter dem Berg. „Der JFV hat seine eigene Identität noch nicht gefunden“, schlägt Niestädt deutliche Töne an. Was er damit meint, kritisch beäugt, ist klar. Die Granden der Trägerclubs RSV und Fortuna machen ihren Einfluss nicht selten geltend. „Wir werden von denen noch nicht passend wahrgenommen“, betont er. Kunstrasen muß sein! Eine Frage von Wertigkeit und Image. Wieder Niestädt: „Das geht doch schon damit los, dass wir in den Wintermonaten auf dem Schlauch sitzen, weil es nicht genug Hallenzeiten für uns gibt, wo unsere Mannschaften Futsal spielen können“. Darüber ist der Vereinschef regelrecht sauer. „Was wir hier in Rotenburg deshalb dringend brauchen, ist ein Kunstrasenplatz, weil wir im Winter zu sehr auf die zu kleinen Hallen angewiesen sind“.

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    Bleibt’s beim frommen Wunsch nach dem kunstfertigen Belag? Michael Niestädt ist nicht zu beneiden um seine Aufgabenstellung, das Kind Jugendfußball in Rotenburg hoffähig und vor allem leistungsorientiert für die Zukunft unter Dampf zu halten. Der vielfach herbeigewünschte Kunstrasen wird ihm noch ein schönes Stück Nervenkost abverlangen, weil graue Kräfte in der Kreisstadt das „ungeliebte Kind“ hartnäckig, weil dauerhaft attackieren. Michael Niestädt: „Das Fass werde ich aber noch auf machen!“ Einen emsigen Helfer dürfte er bei diesem brenzligen Unterfangen in DFB-Oberhaupt Reinhard Grindel finden. Aber: der Fußballgott ist – in Frankfurt/M. – weit weg!

    Hans Richelshagen
    Hans Richelshagen
    Artikel von Hans Richelshagen erschienen von 2017 bis 2018 in der STARK.
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