Obwohl er selber Freigeist ist, gibt er klare Richtung vor und führt. All seine Handlungen verknüpft er mit Alexander von Humboldt und dessen „Netz des Lebens“, einem interdisziplinären Ansatz für Wissenschaft und Natur. Sein Ziel ist es, deutlich zu machen, dass die Antarktis die Menschen etwas angeht, obwohl sie 14.000 Kilometer entfernt ist. „Jeder ist verantwortlich, ob Musiker, Forscher oder Kinder im Waldkindergarten“, sagt er. „Was bedeutet..?“, ist eine der zentralsten Fragen seines Lebens. Studiert hat Holger v. Neuhoff nur ganz kurz, sagt er verschmitzt lächelnd. Nur zweieinhalb Stunden mit dem Flugzeug trennen Südamerika von Großbritannien, und auch Südgeorgien ist nicht weit. Denn einige Länder stellen nach wie vor Gebietsansprüche und so liegen auf der Südhalbkugel der Erde Länder eben ein wenig dichter beieinander.
„PS 119 ist etwas Besonderes“, sagt Prof. Dr. Gerhard Bohrmann, ehemaliger stellvertretender Direktor des Marum-Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und Fahrtleiter der Expedition von Punta Arenas (Chile) nach Port Stanley (UK), über die Expedition der Polarstern PS119 vom 15. April bis zum 31. Mai 2019. Forschungsauftrag war die Untersuchung und der Vergleich des Austritts von Fluiden und Gasen entlang der Süd-Sandwich-Erdplatte bei den dort existierenden heißen und kalten Quellen sowie Unterwasservulkanen. Auf seiner Reise auf der Südhalbkugel der Erde setzte das Forschungsschiff Polarstern den MARUM-Tiefseeroboter erstmals in der Südhemisphäre für die Klimaforschung ein. Mit dessen Hilfe ist es entlang von 6700 nautischen Meilen, entlang derer die Polarstern den Meeresboden akustisch recht genau vermaß, ein wenig „heller“ geworden. Denn der Meeresboden hat Auswirkungen auch auf das Klima der Erde, so Bohrmann zur Erklärung. 2013 fand bereits eine Vorexpedition ohne Tiefseeroboter statt, um den Meeresboden nach hydrothermalen Quellen untersuchen zu können. Erstmals waren an den Untersuchungen diesmal per live-Schaltung internationale Wissenschaftler des MARUM in Bremen direkt eingebunden. Möglich machte dies eine Verbindung über Satellit. Jeder Tauchgang wurde dokumentiert und konnte gestreamt werden.
Und auch die Liste der an der Expedition eingebundenen Institute liest sich wie das „Who-is-Who“ der Wissenschaft. Da der Druck auf Schiffszeit für das Forschungsschiff Polarstern sehr groß ist, wurde bereits vor zehn Jahren die Forschungsreise beantragt. Nicht nur Wissenschaftler waren live dabei, sondern auch die Schüler der Hamburger Stadtteilschule Wilhelmsburg, die mit dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung, dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg, der IBA Hamburg GmbH und dem Verband Schiffbau Meerestechnik im Jahr 2012 das Maritime Zentrum Elbinseln (MZE) gründeten. Als „Sharing Science“, bezeichnet Holger v. Neuhoff die Art der Wissensvermittlung, bei der Grundschüler via live-Schaltung den Wissenschaftlern auf der Polarstern eine Stunde lang auf den Zahn fühlten. Forschung wurde damit nicht nur ganz anderen Bildungsgruppen zugänglich gemacht, sondern bei den Schülern auch ein ganz großes Verständnis für die Leistung der Forscher entwickelt. Wenn Meeresforscher Interesse an ihrem Thema signalisiert bekommen, dann öffnen sich alle Kanäle und nüchternes Berichten war gestern, so Neuhoffs Erfahrung. „Das ist das, was Naturwissenschaften und technische Fächer interessant machen könnte“, so seine Hoffnung. 7,5 Wochen. Siebeneinhalb Wochen waren 51 Wissenschaftler und 44 Mitglieder der Mannschaft auf dem 113 Meter langen Forschungs- und Transportschiff zwischen Eisbergen unterwegs. Eine ganz besondere Art von Ökosystem. Holger v. Neuhoff nahmen die Wissenschaftler mit, sagt Bohrmann, um über ihn zu kommunizieren, was Wissenschaft am Meeresboden leistet. „Wir haben keinen Hafen angelaufen“, beschreibt Bohrmann nüchtern die nicht ganz unwesentliche zwischenmenschliche Komponente solch einer Expedition. „Es gab kein Entrinnen.“ Holger v. Neuhoff beschreibt ein Forschungsschiff als eine ganz eigene Welt und die Meeresforschung als einen der schönsten Ausdrücke von Demokratie. Jeden Tag finde ein Ringen nach Erkenntnis statt, wissenschaftlich wie auch zwischenmenschlich. Dabei sei es wichtig, die leisen Töne im Mikrokosmos Forschungsschiff zu hören. Fast zwei Monate arbeiteten Mannschaft und Wissenschaftler auf engstem Raum zusammen. „Da kann man sich nicht verstecken“, so v. Neuhoff. Und wolle man konstruktiv arbeiten, falle zwangsläufig die Maske, so seine Erfahrung.
Neuhoff stellt Forschern immer neue Formate vor, produziert Ideen. Künstlerkommunikatorkurator sei die treffendste Bezeichnung für das, was er tut, sagt er, der mehr als 30 Ausstellungen kuratierte. Für das GEOMAR, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, erstellte er schon vor 20 Jahren ein wissenschaftliches Medienkonzept zum Thema Gashydrate und entwickelte den ersten Online-Blog von einem Forschungsschiff. Kooperation und Dialog mit den Forschern ist Basis und wichtigster Bestandteil der von ihm kuratierten Ausstellungen. Daher ist es nur folgerichtig, dass nicht er, sondern die Wissenschaftler im Vordergrund stehen. Holger v. Neuhoff ist es wichtig, wissenschaftliches Denken erlebbar zu machen, aber auch die Menschen hinter den komplexen Wissenschaftsthemen zu zeigen. Und deshalb kommt sein Name oder ein Foto im world wide web kaum vor. Er ist nicht bei Facebook, nicht bei Instagram und bei Google ist auch nichts über ihn zu finden. Aus Überzeugung, aus Liebe zum Analogen, nicht aus Desinteresse. Trotzdem kontaktierte er Google und entwickelte für seine Sache eine Projektseite über die Expedition für die Online-Plattform Google Arts & Culture, einer Webanwendung, die virtuelle Rundgänge durch viele Museen und Ausstellungen ermöglicht und hochaufgelöste Fotografien und Detailinformationen zeigt. Die Expeditionsseite soll im Oktober online gehen. Das sei eine Plattform, ganz anders als man Google so kenne, sagt v. Neuhoff immer noch ganz erstaunt. Vor einem Jahr suchte er ganz naiv das Unternehmen auf, um mit ihm gemeinsam auf Humboldts Spuren zu gehen. Dabei wägte er ab zwischen Datengigant und Googles Energie, die für Wissenschaftler und den Bildungsbereich interessante Perspektiven eröffnen kann. Über 280 Fotografien, Videomaterial und Animationen, die auf See entstanden sind, sind dann auf der Plattform Google Arts & Culture zu sehen. Der Humboldt-Gedanke habe Google fasziniert, berichtet er. Die Menschen hinter dem Schriftzug Google begeistern und überzeugen Holger v. Neuhoff.