Pago Balke – Ein Portrait

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    Den Begriff des Stadtkomödianten empfindet er als Ritterschlag. Seine großen Gurus sind Wilhelm Busch und Georg Kreisler und komisch zu sein, ist sein Beruf. Der letzte Part stimmt nicht so ganz, sagt Pago Balke. Er sei nicht komisch, sondern schlagfertig und versuche mit Wortwitz sein Ziel zu erreichen. Seit den 1970er Jahren ist Balke im Bremer Raum komödiantisch unterwegs und hat sich hier einen Namen gemacht. Pago Balke war froh, im Alter von 19 Jahren der Kleinstadt Hameln den Rücken zu kehren. Seine Musiker- und Schauspielereltern aber prägten ihn total, sagt er. Trotzdem hörte er auch von seiner Mutter: „Du endest mit der Gitarre noch bei Karstadt überm Luftschacht.“ Dahin brachte er es nicht, sondern ist heute als der Bremer Stadtkomödiant bekannt. Seine Mutter war so stolz.

    „Ich wollte Künstler werden.“

    Sein Werdegang, ein klassischer in der Zeit von Klassenkampf und Bewusstseinsfindung. An der jungen Bremer Uni, bekannt als rote Kaderschmiede, studierte er in der Zeit von Lehrerarbeitslosigkeit Germanistik und Kunst auf Lehramt, ohne jedoch das Lehramtsstudium mit einem Referendariat abzuschließen. Während des Studiums habe er viel politisiert und auch gestreikt, sagt der 67-Jährige heute schmunzelnd. Viel hat er davon mitgenommen, aus etlichem ist er hinausgewachsen und betrachtet es rückblickend in seinen satirischen Museumsführungen mit den Augen der Liebe und viel Humor. Aus dem Lehramtsstudium stieg er ohne Netz und doppelten Boden aus.
     
    Aufgrund seiner politischen Einstellung und Jugend war das nur folgerichtig. „Ich wollte Künstler werden.“ Auf der Suche nach einem Alternativprojekt gründete er mit anderen ebenso engagierten wie unorthodoxen Pädagogen „Die Reisende Werkschule Scholen“. Dahinter stand die Idee, sozial auffälligen jungen Menschen in einer zweijährigen Ausbildung in einer Kombination von schulischer Bildung und Arbeitsaufenthalten im Ausland einen schulischen Abschluss zu ermöglichen. „Es war eine Schule, die durch alle Raster fiel“, sagt Pago Balke heute.  

     

    Foto: Arne von Brill

    Nach sieben Jahren stieg Pago Balke aus. Im alternativen Kulturbereich unterwegs, mit 30 Jahren zu alt, um eine Schauspielausbildung zu beginnen, trieb er seine eigenen, ihm am Herzen liegenden Projekte voran. „Ich wollte auf die Bühne“. Aber die Sozialpädagogik ließ ihn nicht los und er stieg bei dem 1986 gegründeten inklusiven Kunstprojekt Blaumeier-Atelier als Regisseur, Schauspieler und Musiker ein.

    Hollywood I’m coming.

    Hier fand er eine gelungene Verquickung von Pädagogik und künstlerischen Projekten. Er spielte im Blaumeier-Atelier Theater mit Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen, machte Kunst und baute Masken. „Das hat mich zwölf Jahre geprägt.“ War er in Schulzeiten immer der Jüngste, bei Blaumeier gehörte er als Zweitältester fast zu den Senioren.

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    Foto: Arne von Brill

    Trotz seiner Affinität zur alternativen Szenekultur schielte er immer noch nach dem Stadttheater. Beim Angebot des Goethetheaters für den Kinder- und Jugendbereich hielt ihn nichts mehr und er atmete drei Jahre lang in vollen Zügen Theaterluft. „Das war große, weite Welt“, erzählt der Schauspieler, Moderator, Kabarettist. Balke lernte bei Opersängern das Singen, nahm Tanzunterricht und guckte sich viel von den Regisseuren ab. Dann kam die Filmwelt und er schrieb gemeinsam mit Eike Besuden das Drehbuch für das Roadmovie „Verrückt nach Paris“.

    Allein 36.000 Besucher in Bremen, bundesweit 200.000 und 3 Millionen D-Mark Drehkosten für den 50-Minüter. Dafür erhielt der Film den Bernhard-Wicki-Preis des Internationalen Filmfests Emden, den Publikumspreis des Festivals „Berlin & Beyond“ in San Francisco, gewann den Special Award der German American Chamber of Commerce in San Francisco und den Lebenshilfe-Medienpreis Bobby. „Das war ein verrücktes Projekt“, erinnert sich Balke an seinen Ausflug in die Welt des Films. „Jetzt bin ich Filmregisseur und Drehbuchautor“, dachte er, aber die Filmwelt lag dem Quereinsteiger nicht gerade zu Füßen.

    “Helden des Alltags”

    Hollywood I’m coming klappte dann doch nicht. Beim Drehbuchschreiben fehlte ihm die Reibung mit anderen, der Kontakt, das Zwischenmenschliche. 2004 kehrte Pago Balke dann zu seinem eigentlichen Metier, dem satirischen Programm, zurück. Über seine eigenen Geschichten und die von ihm erfundenen Personen zu lachen, das hatte er mit den Drehbüchern lieben gelernt. Genauso liebt er es, seinen eigenen Stempel auf dem Programm zu haben. Helden des Alltags zu karikieren, ein Thema von allen Seiten zu beleuchten und sich daran richtig abzuarbeiten, das ist sein Ding.

    So kann er locker in unglaublichen 90 Minuten fünf Weltreligionen abkanzeln. Es entstanden Programme wie „Gnadenlose Heiterkeit“, ein Wilhelm-Busch-Programm, „Wer braucht Humor“ mit Liedern von Georg Kreisler, musikalische Lesungen und eigene satirische Lieder. Immer ist Musik mit dabei, denn ein „trockenes“ Programm reicht ihm nicht, um Emotionen zu transportieren. Seit zwölf Jahren führt er in einer Mischung von Info- und Entertainment Interessierte durch die Ausstellungen von Focke Museum, Altes Pumpwerk Bremen und Museumsdorf Cloppenburg. 15 Mal macht er dabei ein Ausstellungsthema nahbar, dann ist es wieder Geschichte.

    Foto: Arne von Brill

    Seit vier Jahren sind die Zollhausboys sein Herzensprojekt, das 2016 mit der großen Flüchtlingswelle, 60 unbegleiteten Jugendlichen im Bremer Zollhaus und seiner ungebrochenen Leidenschaft für die Pädagogik begann. Anfangs drückte er sich vor der an ihn herangetragenen Aufgabe, aber dann war es von Anfang an supergut, erinnert sich der Künstler. Eine kleine Gruppe 16- und 17-Jähriger scharte sich um ihn und sie machten ohne singen zu können, einen Song. Nach einem dreiviertel Jahr hatten sie ein abendfüllendes Programm auf die Beine gestellt. Mehr als 100 Mal brachten sie es vor meist ausverkauftem Haus auf die Bühne. Mit ihren teils sehr berührenden, kummervollen, aber ebenso satirischen Geschichten schafften sie den Brückenschlag zwischen Neubürgern und Alteingesessenen. „Die Jungs können alle nicht gut singen, dafür aber performen und erzählen“, sagt er, der für die Jungs der Hadschi, der zu respektierende Onkel, ist.

    Mittlerweile haben sie das 3. Programm fertiggestellt, sind unglaublich professionell geworden und hoffen auf die neue Saison 2021. Mit dem Zollhausboys-Projekt schlägt Pago Balke den Bogen vom Flüchtlingslager. in Afrika mit deutschen und algerischen Jugendlichen zu den hier gelandeten Jugendlichen aus Syrien. Dieses Projekt sei einfach folgerichtig in seiner Biographie. Nach dem dritten Programm aber ist für ihn Schluss, dann mache er nur noch satirische Museumsführungen und sein Bandprojekt „Ernte 22“ und „Ernte 23“. So der Plan. „Ich bin am Abrunden“.

    Sabine von der Decken
    Sabine von der Decken
    Geboren 1957 in Nordrhein-Westfalen, Studium der Diplom-Biologie in Bremen und Oldenburg. Seit mehr als 20 Jahren freie Mitarbeiterin Weser Kurier Bremen, arbeitet zudem für Fachmagazine wie Land und Forst und Gartenbauprofi.
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