Schäferei Moorhallig und die flauschigen Wollwunder

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    Borchel. Eine grüne Wiese, ein paar knorrige alte Eichenpfähle, im Hintergrund ein Birkenwäldchen. Vorn grast eine Herde Schafe und am Himmel darüber ziehen wilde Wolken dem Horizont entgegen. Würde man diese Szene von Farbe in Schwarz-Weiß umschalten können, ginge sie glatt als eine schöne Kulisse aus einem alten Heimatfilm durch, wie sie früher in Deutschland gar nicht so selten produziert wurden. Fehlen nur noch ein paar wohlgelaunte Musiker, die lautstark seitlich ins Bild wandern. Das Ganze ist aber weder Schwarz-Weiß und schon gar nicht irgendeine inszenierte Filmszene. Die Schafe sind nahe dem kleinen Moordorf Borchel unterwegs, Kulisse ist die reine Landschaft und die Tiere gehören Marco Hörmann.
     
     
    Seine Partnerin Agnes Gutsche hilft ihm oft mit den Tieren. Bei näherem Hinsehen entdeckt man auch, dass die Schafe sich hinter einem modernen Schutzzaun befinden. Der Ortsteil Borchel, in dem Hörmann und Gutsche leben, bietet ein breites Spektrum reizvoller und sehr unterschiedlicher Gesichter und gehört zur Stadt Rotenburg. Beide sind gelernte Schäfer und haben neben ihrer Schafhaltung noch weitere Schwerpunkte. Der Fokus liegt allerdings eindeutig auf den Schafen, die es mühelos schaffen, 365 Tage im Jahr für Beschäftigung zu sorgen. Statt norddeutscher Idylle bestimmt also an den meisten Tagen jede Menge Arbeit das Bild rund um den Hof. Moorhallig heißt der wichtigste Zweig des noch jungen landwirtschaft-lichen Betriebes.

    Zum Ende des Winters herrschte dort mit die betriebsamste Zeit, weil die Muttertiere dann ihren Nachwuchs zur Welt bringen. Den Züchtern ist es wichtig, dass ihre Schafe artgerecht aufwachsen und leben. Zum Konzept gehört auch die regionale Vermarktung und die nachhaltige Verfolgung ihrer Konzepte. „Wir wollen stets das ganze Tier verwerten und das ist im Prinzip auch möglich“, erklären die Beiden von der „Hallig“. Schafe haben in der Heide mit ihren moorigen Flächen und sauren Böden, die sonst meist nur schlecht anders nutzbar wären, schon immer zum Leben der Menschen dazu gehört. Schließlich lassen sich vielfältige Produkte aus ihrem Fell und der Wolle sowie letztlich auch aus dem Fleisch herstellen, was in damaliger Zeit für viele Menschen von existenzieller Bedeutung war. Und bei dieser Vielfalt sind Schafe von der Haltung und ihren Ansprüchen an die Nahrung her nicht sehr anspruchsvoll.

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    Hörmann und Gutsche möchten ihre Leidenschaft für Schafe gern möglichst vielen Menschen nahebringen. In der Region ist das indirekt ja ohnehin schon der Fall, denn bei der Auftragspflege von Kulturflächen sind die Borcheler Schafe bereits seit einiger Zeit aktiv. Und das nicht nur in Sichtweite ihres Heimathofes. Wo schwere Maschinen vielleicht nicht hingelangen oder zwischen Solarmodulen auf Grünflächen kümmern sie sich um die behutsame und sorgfältige Entfernung des Bewuchses.

    Der landwirtschaftliche Betrieb in Borchel wird kontinuierlich ausgebaut: Neben der klassischen Tierhaltung auf hofnahen Flächen mit der Vermarktung von typischen Produkten gehören inzwischen auch weitere Leistungen zum Angebot. Eines der Lieblingsthemen der Beiden in diesem Zusammenhang ist die Verarbeitung der Wolle. „Darin steckt unheimlich viel Potenzial“, sagt Agnes Gutsche. Im Moment, wo mehr denn je über Nachhaltigkeit und nachwachsende Rohstoffe gesprochen wird, sehen die Schafhalter auch in der Wolle der Tiere Nutzungsmöglichkeiten, denen in den vergangenen Jahren oft nur sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Einer der Leitsätze des Paares bezieht sich ja auf die möglichst ganzheitliche Verwertung der Produkte, die ihre Vierbeiner liefern: Das Tier als Ganzes nutzen, wenn dies möglich und sinnvoll ist. Marco Hörmann: „Wolle ist ein ganz toller Rohstoff, der jeden Tag nachwächst. Egal, was für ein Wetter herrscht.“

    Wichtige Erfahrungen in Sachen Verarbeitung und Vermarktung der Wolle und daraus entstandener Produkte gibt es auch bereits: Beispielsweise die Herstellung von Bettwaren. Ein Hotel in der Heide hat bereits eine größere Menge Decken für die Gäste des Hauses geordert. „Wir möchten die Wolle nicht weggeben zur weiteren Verarbeitung, sondern gern möglichst alles selber machen“, erklärt Marco Hörmann. Bei einem Blick in die Betriebsstätte, die zu großen Teilen komplett neu gebaut oder im Innenbereich in bereits bestehende Gebäude modern und zweckmäßig eingepasst worden ist, sind bereits viele Dinge zu erkennen, die später unabdingbare Bestandteile eines Weiterverarbeitungsprozesses sein werden: zuerst das Waschen und Kämmen der Wolle. Ein wichtiger Zwischenschritt, der von einer großen Maschine vollendet wird, ist die Herstellung eines sauberen Vlieses mit zwei mal zwei Metern Kantenlänge, das dann die Wolle zur weiteren maschinellen oder auch individuellen Verarbeitung verfügbar macht.

    Wer sich mit dem Thema Schafwolle einmal etwas intensiver beschäftigt hat, wird sicher auch einmal zu hören oder lesen bekommen haben, dass Wolle, die bei der Schafzucht anfällt, eher ein Abfallprodukt sei und eine weitere Verwertung sich nicht lohne. Das sehen Agnes Gutsche und Marco Hörmann komplett anders: „Die Wolle wegzuschmeißen wäre viel zu schade.“ Neben der Verwendung der Fasern im Bereich Textilien wird das Naturprodukt in Borchel auch bereits für ganz andere Zwecke verarbeitet. Es entsteht als Nebenprodukt auch organischer Naturdünger, der aus Schafwolle hergestellt wird, die für andere Zwecke vielleicht nicht so geeignet ist. Dieser Dünger ist laut Marco Hörmann wertvoller organischer Volldünger, der mit Hornspänen vergleichbar sei. Die regionale Vermarktung des Düngers in handlichen Papiertüten ist bereits gestartet. Doch bei Textilien und Dünger endet die Fantasie von Marco Hörmann und Agnes Gutsche noch lange nicht. Das Paar hat noch eine Vielzahl weiterer Ideen, denen sie sich Schritt für Schritt widmen wollen.

    Fotos: Mark Intelmann

    Frank Kalff
    Frank Kalff
    Frank Kalff schreibt seit 2018 für die STARK.
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