Um einen intensiven Einblick in die Online- und Webdesign-Welt zu bekommen, verkürzt er schließlich die Ausbildung und wechselt Richtung Scheeßel – und dort ist er bis heute, kümmert sich schwerpunktmäßig um Konzeption und Koordination in der Werbeagentur. „Glücklich und zufrieden“ sei er hier, sagt er, mit seinen Kolleginnen und Kollegen, den Aufgaben, den Möglichkeiten, kreativ zu sein und dem Arbeitsumfeld. Beim Blick in die Agenturräume fallen natürlich die vielen kleineren und größeren Fotos und Drucke auf, die von Thorsten Finner stammen. Künstlerisch wertvoll in der Umsetzung, so arbeitet er heute fotografisch. Früher: Partyfotos, Freunde, Skateboard-Szenen – Motive eben, wie sie viele junge Leute lieben und aufnehmen. Später, als Finner mit seiner Ende der 90er gegründeten Band Everlaunch viel auf Tour unterwegs ist, nutzt er die Kamera zu Dokumentationszwecken. 2006 erhält er als Geschenk ein Sammelsurium an Fotoequipment, unter anderem eine analoge Kamera der Marke Revue. Er merkt: Setzt man sich mehr mit der Fotografie und ihren Möglichkeiten auseinander, dann kann man auch mehr in der Wirkung erreichen. Gelungene Motive entstehen, etwa im alten Bahnhofstunnel, durch den Kinder im Gegenlicht laufen.
Die nach und nach aufkommende digitale Fotografie aber reizt ihn zu Beginn nicht. „Dazu hatte ich irgendwie keinen Bezug, erst seit etwa zwei Jahren bin ich beruflich digital unterwegs“, sagt er. Stattdessen kommt durch einen Zufall das Thema Polaroid ins Spiel: Zehn Tage verbringt er mit der Band in Quadenschönfeld, wo das zweite Album entstehen soll. Die befreundete Hamburger Fotografin Caren Detje drückt Thorsten Finner eine Polaroid in die Hand und er beginnt, zu experimentieren. Die erste Aufnahme geht prompt daneben, weil die Hand vor dem Auswurf platziert ist, zeigt motivmäßig aber eine Gitarre. Seither ist er vom Thema Polaroid und den sich bietenden Möglichkeiten der sich bietenden künstlerischen Ausdrucksform gefesselt. Bei ebay sucht er nach entsprechenden Kameras. Inzwischen hat er diverse, sein Lieblingsstück: die SX-70. Filme? Teuer und zwischenzeitlich nicht leicht zu bekommen, denn die Produktion der Original-Filme wurde längst eingestellt. Glück jedoch für Fotofans: Nach dem Aufkaufen einer ehemaligen Polaroid-Filmfabrik und eigener Entwicklungsarbeit begann die Firma „The Impossible Project“, wieder Filme herzustellen. Mittlerweile wurde die Firma in Polaroid Originals umgetauft. Nachschub an Filmmaterial ist also erst einmal gesichert.
Nicht immer, aber oft hat Finner seine Kamera dabei. Die Fotografie mit den Polaroids, ihre chemische Reaktion, die Bildwirkung, sei einfach besonders. Das merkt er auch an der Reaktion derjenigen, die er ablichtet. „Die Leute sind ganz anders eingestellt, wenn man sie mit einer Polaroid fotografiert“, berichtet er, der sich Zeit nimmt für jedes Foto, eine Ruhephase nutzt für die Kameraeinstellung und dann den Auslöser drückt. Porträts zählen zu seinen Lieblingsmotiven, ein besonders bekanntes von ihm war sogar bereits in Ausstellungen in New York, Tokio oder Paris zu sehen. Auch Urbanes findet man häufig in seinen Werken. Ein besonderes Projekt präsentierte er zudem beim RAW-Festival in Worpswede, dort zeigte er, wie er Polaroids mit dem berühmten Künstler Heinrich Vogeler und der digitalen Welt in Einklang bringen konnte. Eine ganz spezielle Technik brachte ganz spezielle Ergebnisse. Eine Technik, die er auch künftig gern noch einmal einsetzen möchte – eventuell beim Rudolf-Schäfer-Haus in Rotenburg. Gespräche laufen bereits, Finner hofft auf Umsetzung eines neuen spannenden Projekts. Thorsten Finner hat seine Werke schon an diversen Orten präsentiert. Auch auf dem Scheeßeler Meyerhof. Ein Motiv, was dort nicht nur aufgrund der Größe und Wirkung, sondern auch wegen des regionalen Bezugs ins Auge fiel: Sabrina Hastedt als Brautmädchen mit der Beekscheepers-Brautkrone.
Der Meyerhof ist für ihn ein lohnender Ausstellungsort, was Atmosphäre und Ambiente angeht. Daher hat er die Räume gern genutzt. Anfragen für weitere Ausstellungen gibt es, doch für den Künstler muss der Ort einfach passen. Das Ganze soll in seiner Wirkung Sinn ergeben. Im Kunstturm in Rotenburg würde er seine Werke gern einmal präsentieren, hatte aber in der Vergangenheit eine Absage kassiert. „Keine Kunst“ seien seine Fotos, hieß es damals. Aber er ist positiv gestimmt und offen für Vieles. In seinen Ausstellungen zeigt Thorsten Finner übrigens Original-Polaroids (Größe des Motivs: 7,9 x 7,9 Zentimeter) ebenso wie größere Drucke. Dass Finner fürs Thema brennt, merkt man ihm in seinen Erzählungen an. Und er empfiehlt jedem: Wer die Gelegenheit hat, einmal mit einer Polaroid fotografieren zu dürfen, sollte es probieren. Und wer einen Blick in Finners Portfolio werfen möchte, kann das in seinem Instagram-Account machen. Rund 1.000 bis 1.200 Polaroids hat er inzwischen im Archiv. Jedes ein Unikat, jedes mit seinem eigenen Reiz und eigener Emotionalität. Eins bereut er übrigens: Einige seiner alten Originale hat er verkauft. Damals, 2014/15, am Merchandising-Stand während seiner Solo-Tour als Musiker, um den Verkauf anzukurbeln, hat er diese Werke neben der Musik an Fans abgetreten. „Denen weine ich heute noch hinterher“, gibt er zu.
Ein Polaroid-Traummotiv? Finner überlegt nur kurz. Ein Porträt von Noel oder Liam Gallagher, die Brüder also, die ihn musikalisch in seinem Leben so beeinflusst haben – und wer weiß, vielleicht wird dieser Wunsch auch irgendwann Realität.