Von der Marktseite her gelangen Besucher in das Bauwerk. Über ein vorgelagertes Gebäude mit barockem Portal, an das sich der östliche Kreuzgang anschließt, geht es in den Dom. So wie sich das riesige Gotteshaus heute seinen Besuchern präsentiert, sah es im Kern von Verden jedoch nicht immer aus. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich früher an dieser Stelle zwei hölzerne Kirchengebäude befanden, die beide durch Brände im Jahre 850 und das andere exakt 100 Jahre später vernichtet wurden. Bei Ausgrabungen, die ab 1966 durchgeführt worden sind, wurden die Standorte dieser beiden Kirchen exakt ausgemacht. Sie befanden sich im Bereich des heutigen Mittelschiffs. Zu Beginn des elften Jahrhunderts begannen die Arbeiten für die erste Kirche aus Stein. Ebenso wie ihr Nachfolge-Bau, den die Verdener Bürger Ende des zwölften Jahrhunderts errichteten, fiel sie einem Brand zum Opfer. In der damaligen Zeit bedeutete das Feuer für die Menschen ebenso Segen wie Fluch. Zum Teil unmittelbar aneinander gebaute Häuser boten einmal ausgebrochenen Bränden leider immer wieder ideale Möglichkeiten, sich auszubreiten. In früheren Zeiten fielen so ganze Straßenzüge oder Stadtviertel und natürlich auch Menschen den Flammen zum Opfer. Vom Jahre 1290 bis 1323 und in einer zweiten Bauphase von 1473 bis 1490 erfolgte dann der Bau des heutigen Domes. Mit einer Unterbrechung von 150 Jahren war das Bauwerk, die typische, hochgotische Hallenkirche, nach insgesamt 50 Jahren Bauzeit schließlich fertiggestellt. Über die Epochen waren die unterschiedlichsten kirchlichen Würdenträger für die Planungen und Ausführung der Arbeiten verantwortlich. Wer den Verdener Dom heute besucht, sollte sich bei der Besichtigung Zeit nehmen. Nicht nur die Dimensionen des Bauwerks wollen in Ruhe erkundet werden: Das Bauwerk weist auch eine Vielzahl an spannenden Besonderheiten auf. Es beheimatet einige spezielle Ausstattungsgegenstände. Beispielsweise einen aus dem 13. Jahrhundert stammenden Taufstein oder einen um das Jahr 1360 prächtig verzierten Levitenstuhl. Außerdem können Besucher eine Grabplatte des Bischofs Berthold von Landesbergen besichtigen, der die Verantwortung in der letzten Phase bis zur Fertigstellung des Doms trug. Im hinteren Teil des Bauwerks stehen zwei Sarkophage.
Christian Wietfeldt war 17 Jahre lang Diakon in Verden und kennt den Dom wie kaum ein anderer. Häufig hat er im Rahmen von kirchenpädagogischen Veranstaltungen den Dom gemeinsam mit Schulklassen, Konfirmanden und Erwachsenen-Gruppen erkundet. „Stets spannend fand ich dabei die Frage, wie ein so großer Raum auf Menschen wirkt“, erzählt Wietfeldt. Seine Erfahrungen dabei seien, dass Gotik zwei Wirkungen haben könne: Sie könne einen in die Höhe ziehen, könne einen aber auch erdrücken. Christian Wietfeldt über von ihm immer wieder beobachtete, positive Wirkungen: „Die Kirche ist sehr hell und sehr schlicht. Viele Menschen, die reinkommen, fühlen sich aufgerichtet.“ Auch, wenn der 800 Jahre alte Turm eine Höhe von 40 Metern habe, so sei diese Dimension doch gar nicht wirklich ein Extrem. Die Spitze des Bremer Doms befinde sich zum Vergleich 90 Meter über dem Erdboden. Klar sei, dass die Kreisstadt an der Aller sich über den Dom definiere und egal, aus welchen Gründen Menschen das Bauwerk betreten würden, jeder von ihnen folge einem speziellen, ganz persönlichen Interesse. Spannend und absolut lohnenswert sei vor diesem Hintergrund ein Blick ins ausliegende Besucherbuch. Ganz viele unterschiedliche Gedanken und Eindrücke sind dort niedergeschrieben.
Fotos: Arne von Brill