Was haben ein Flugzeug und eine Buchhandlung gemeinsam?

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    Rotenburg. Wir sitzen zum Gespräch in der Kinder- und Jugendbuch-Abteilung im hinteren Teil der urigen Buchhandlung auf dem eigens für die Kunden aufgestellten Sofa. Es ist elf Uhr dienstagmorgens und es ist ziemlich viel los. Was unterscheidet die Traditionsbuchhandlung Müller in Rotenburg von anderen Buchhandlungen? Bekanntlich steht es mit inhabergeführten Geschäften, die sich im Wesentlichen auf ihre Kernkompetenz – den Verkauf von Büchern – konzentrieren, nicht zum besten. „Wir sind eben auch modern“, sagt Dr. Cornelia Mansfeld, „wir sind bei Facebook, haben einen Web-Shop und einen Newsletter. Instagram und Twitter sind als nächstes dran“. Außerdem organisiert die passionierte Leserin regelmäßig Literatur-Abende, beispielsweise gibt es um Goethes Geburtstag immer eine Veranstaltung zu den zeitlosen Werken des Universalgenies: „Goethe in der Goethestraße“. Es finden Lesungen von Autorinnen und Autoren aus dem Umkreis statt, die ihre Neuerscheinungen vorstellen. Außerdem kann man gute Gespräche bei einem Glas Wein führen und sich über musikalische Darbietungen freuen. Des Weiteren werden für Grundschulkinder zum „Tag des Buches“ im April Schnuppertage veranstaltet. Da werden dann schon einmal 20 Schulklassen und mehr willkommen geheißen. „Und natürlich haben wir eine besondere Auswahl an Büchern“, erklärt Cornelia Mansfeld. Aus ungefähr 70.000 Neuerscheinungen pro Jahr trifft sie gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen die Entscheidung, welche Bücher im Laden zum Verkauf angeboten werden sollen. Ein immenser Aufwand, ein Service für die Kundinnen und Kunden. Er ist möglich, weil die Mitarbeiterinnen der Buchhandlung teilweise schon mehrere Jahrzehnte bei Müllers arbeiten und die Kunden kennen. Auf deren Erfahrung kann die Quereinsteigerin Mansfeld bauen. Die Menschen kommen also aus mehreren Gründen in die Buchhandlung, haben unterschiedliche Gelegenheiten, sich mit ihr und miteinander zu verbinden. Und jeder, der hereinkommt, bekommt einen Tee angeboten. 

    Foto: Mark Intelmann

    Seit fünf Jahren vergibt die Staatsministerin für Kultur und Medien jährlich einen Preis für besondere Buchhandlungen. Jeder Buchhändler in Deutschland, dessen Jahresumsatz unter einer Million € liegt, kann sich bewerben, 100 hervorragende, fünf herausragende und drei beste Geschäfte werden ausgewählt und erhalten zwischen 7000 und 25.000€ Preisgeld. Mit dem „Deutschen Buchhandlungspreis“ werden inhabergeführte Buchhandlungen ausgezeichnet, die ein literarisches Sortiment und ein kulturelles Veranstaltungsprogramm anbieten, die innovative Geschäfts­modelle verfolgen oder sich im Bereich der Lese- und Literaturförderung engagieren. Für die Buchhandlung Müller treffen sämtliche Kriterien zu. Sie gehört jetzt zu den hundert hervorragenden Buchhandlungen in Deutschland…. Wer ist diese Frau, die all dieses auf die Beine stellt? Cornelia Mansfeld stammt aus Frankfurt am Main und lebte dort bis zum Abitur. Sie liebt Bücher und ist zu Gast auf der jährlichen Buchmesse seit sie denken kann. Sie machte ihr Hobby aber nicht zum Beruf. Sie studierte in Berlin Soziologie und hatte lange Jahre eine Professur für dieses Fachgebiet an der Evangelischen Hochschule Darmstadt inne. Seit gut drei Jahrzehnten wohnt sie im Landkreis, denn „hier ist es einfach schön“. Von hier pendelte sie nach Darmstadt. Im Jahre 2008 war sie auf Wohnungssuche in Rotenburg und sprach in dieser Angelegenheit mit der Inhaberin ihrer damaligen Lieblingsbuchhandlung Hilde Faust. Es brauchte etwas Bedenkzeit, aber schließlich war der Deal perfekt: Cornelia Mansfeld kaufte eine Wohnung und die Buchhandlung gleich dazu. Welches Risiko damit verbunden war, wurde ihr erst ein paar Wochen später nach dem Bankencrash klar. Dass so ein Risiko aber auch auf besondere Weise herausfordert, Spaß macht, das wurde ihr klar, als eine alte Bekannte und Hobbyfliegerin sie einmal mit ihrer einmotorigen Maschine auf eine Tasse Kaffee besuchte. „Die Menschen suchen sich eben unterschiedliche Risiken aus. Das braucht der Mensch“. Immerhin schreibe sie schwarze Zahlen und sie arbeitet daran, dass sich die Buchhandlung weiterhin selber trägt.

    Foto: Mark Intelmann

    Die Mütter, Väter sitzen an ihren Handys und kommunizieren weniger mit ihren Kindern, bauen so weniger Bindung auf und die Kinder lesen und schreiben schlechter, so steht es in den Studien. Die Erfahrung aus ihrem Berufsleben bestätige diese Entwicklung, so Mansfeld. „Eltern lesen leider viel zu wenig vor“, dabei ist Lesen der Schlüssel für Bildung, Wissen und Kommunikation. Sie möchte dazu beitragen, dass „Menschen lesen und durch unsere Arbeit sehnsüchtig danach sind, ein Buch in die Hand zu nehmen“, sagt sie, „deshalb führe ich die Buchhandlung, die hoffentlich erst 150 und dann 200 Jahre alt wird!“ Cornelia Mansfeld ist überzeugt, dass Lesen dabei helfen kann, dass mehr Rücksicht, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft gelebt wird. Auch deshalb engagiert sie sich im Kirchenvorstand und ebenso im Bundesvorstand von „buy local“. Auf diese Weise möchte sie ihren Teil dazu beizutragen, dass „die Menschen in der Welt gut zusammenleben können“.

    Jessica Andreßen
    Jessica Andreßen
    Jessica Andreeßens Artikel erschienen von April 2019 bis Juni 2020 in der STARK.
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