Wie hoch sind die Chancen für einen Geflüchteten, in Deutschland den Job zu bekommen, den er auch in seiner Heimat ausgeübt hat? Wenn es diesen Beruf auch in Deutschland gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest auch eine Beschäftigung in der Branche erfolgen kann, durchaus vorhanden. Viele Berufe lassen sich aber leider überhaupt nicht miteinander vergleichen. Wenn dies nicht funktioniert, dann liegt das in erster Linie wieder an den fehlenden berufsbezogenen Sprachkenntnissen, dem unterschiedlichen Qualitätsbewusstsein und der fehlenden formalen Qualifikation. Hier unterstützen wir die Flüchtlinge bei der Durchführung der Anerkennungsverfahren ausländischer Bildungsabschlüsse oder im Ausstellen von Teilnahmeberechtigungen für die Durchführung von berufsbezogener Sprachförderung nach der neuen Deutschförderverordnung. Gehen wir einmal davon aus, alle Voraussetzungen für eine Anstellung liegen vor. Wie hoch sind die Chancen im Altkreis Rotenburg auf einen Job? Gibt es spezielle Branchen mit vielen offenen Stellen? Wir hatten im vergangen Jahr im Landkreis Rotenburg eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent. Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse war in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich hoch. Dadurch bestehen grundsätzlich auch für Flüchtlinge gute Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitsmarkt im Landkreis Rotenburg ist sehr ausgewogen und hat eine hohe Aufnahmekraft. Viele Arbeitgeber haben auch die Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Bedarfe über alle Qualifikationsstufen hinweg gehen. Vom einfachen Produktionshelfer bis hin zum Arzt stehen Arbeitsplätze, auch für Flüchtlinge, zur Verfügung. Die Angebotsseite steht also in den Startlöchern und hat auch durchaus die Bereitschaft, in die Beschäftigung von Flüchtlingen zu investieren.
Es gibt sicherlich Branchen, in denen es aufgrund des geforderten Qualifikationsniveaus einfacher ist, beruflich Fuß zu fassen. Die Integrationen, die wir hier bislang erlebt haben, fanden überwiegend im Bau- und Kfz-Handwerk sowie in den Helfertätigkeiten der Gastronomie- oder der Logistikbranche statt. Flüchtlinge als Verstärkung für den eigenen Betrieb sehen: Wie ist an diesem Punkt die Stimmungslage bei den Unternehmen vor Ort? Gibt es Unsicherheiten oder Vorbehalte?
Die Stimmungslage bei den Firmen ist nach wie vor gut. Die Unternehmen brauchen Arbeitskräfte, die die freien Stellen besetzen, daher besteht sogar in manchen Fällen eine gewisse Erwartungshaltung in den Betrieben. Aber man kann auch sagen, dass leider viele Flüchtlinge den Anforderungen noch nicht gerecht werden. Insbesondere lassen der Ausbildungsstand, mangelnde Sprachkenntnisse, der verlässliche Aufenthaltsstatus oder aber die fehlende regionale Mobilität eine Arbeitsaufnahme noch nicht zu. Unsicherheiten bilden hier in erster Linie fehlende Bleiberechtswahrscheinlichkeiten aufgrund der Nationalität, Sprachbarrieren und fehlende Ausbildungen. Einige dieser Vorbehalte lassen sich ganz gut in einem Praktikum aus der Welt schaffen.Im Rahmen unserer Maßnahmen für Flüchtlinge versuchen wir, insbesondere die Sprachkenntnisse weiter zu verbessern und den Flüchtlingen die Gelegenheit zu geben, einen Einblick in betriebliche Abläufe zu gewinnen.
Werden Flüchtlinge eher als schnelle Hilfe für bestimmte Posten gesehen oder doch langfristiger als die oft zitierten dringend benötigten Fachkräfte? Ich denke, dass die Unternehmen hier ganz unterschiedliche Intentionen haben. Besonders erfreulich ist, dass es auch eine Vielzahl von Unternehmen gibt, die bereit sind Flüchtlinge als Helfer einzustellen und zur Fachkraft zu entwickeln. Sprachkenntnisse zu erwerben, ist sicher ein wichtiger Schritt. Gibt es im Altkreis genügend Angebote oder muss an dieser Stelle der Hebel angesetzt werden? Mittlerweile hat sich unter anderem durch die gute Vernetzung der Träger die Situation deutlich entspannt. Aufgrund der ländlichen Struktur im Landkreis Rotenburg und sinkender Flüchtlingszahlen wird man sehen müssen, ob das bestehende Angebot überall aufrechterhalten werden kann. Wie viel Extra-Arbeit ist auf Ihr Arbeitsagentur-Team durch die vielen geflüchteten Menschen hinzugekommen? Wie sieht es mit Verständigungsproblemen aus? Das ist schon alles eine Menge Arbeit, die wir in diesem Kontext zu bewältigen haben. Wir machen diese Aufgabe aber sehr gerne. Zudem konnten wir als Arbeitsagentur wieder einmal zeigen, dass wir in der Lage sind, in kürzester Zeit extreme Arbeitsmarktanforderungen zu bewältigen.
Verständigungsprobleme sind sicherlich immer wieder einmal aufgetreten. Eine Vielzahl von Flüchtlingen kam aber mit einem Dolmetscher zu uns. Ansonsten haben wir auch die Möglichkeit, über eine interne Hotline einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Die internen Unterstützungsangebote unserer Zentrale in Nürnberg sind da schon sehr vielfältig. Ihr persönlicher Blick in die Zukunft: Wo hakt es heute noch zu sehr, welche Probleme müssten abgestellt werden, damit die Integration in fünf Jahren besser gelingt als aktuell? Ich bin davon überzeugt, dass wir Vieles richtig gemacht haben, denke aber auch, dass wir gut beraten wären, die Flüchtlinge mehr in unsere Entscheidungen einzubeziehen. Sicherlich wäre es auch gut und sinnvoll gewesen, die Flüchtlinge schneller in Sprachkurse zu überführen. Es steht und fällt nun einmal alles mit dem Erlernen der Sprache. Unter den uns zur Verfügung stehenden Rahmenbedingungen war dies aber auch leider nicht besser möglich. Hier wurden dann nach und nach gesetzliche Änderungen herbeigeführt, die vor Ort auch schnell umgesetzt wurden. Als kleinen Ausblick in die nächsten fünf Jahre kann man als Trend jetzt schon erkennen, dass immer mehr Flüchtlinge – unter anderem auch, weil sie hier eine allgemeinbildende Schule mit einem Abschluss verlassen haben – in eine duale Berufsausbildung einmünden werden. Hier haben wir gute Instrumente in der Hinterhand, um die ausbildungswilligen Flüchtlinge gut auf die Ausbildung vorzubereiten und im Rahmen der Ausbildung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen zu unterstützen. An dieser Stelle tragen dann auch die Flüchtlinge einen kleinen Teil zur Fachkräftesicherung bei.
Fotos: Mark Intelmann